Ein Hauch von Schnee und Asche
hatte ganz vergessen, dass ich sie in der Hand hatte. Obwohl ich das verrückte Weibsstück weiß Gott gern erschossen hätte«, fügte er hinzu. »Geht es dir gut, Sassenach?«
Er beugte sich zu mir nieder, um mich anzusehen, und sein Blick war sanft vor Sorge.
»Ja. Ich weiß nicht, was – aber es ist alles gut. Jetzt ist es fort.«
»Ah«, sagte er leise, wandte den Blick ab und senkte die Wimpern, um seine Augen zu verbergen. Hatte er es also auch gespürt? Sich plötzlich… zurückversetzt gefühlt? Ich wusste, dass es ihm schon einmal so gegangen war; erinnerte mich daran, wie ich eines Nachts in Paris aufgewacht war und ihn an das offene Fenster gelehnt gesehen hatte, die Hände so fest gegen den Rahmen gepresst, dass sich seine Armmuskeln im Mondschein deutlich abzeichneten.
»Es ist alles gut«, wiederholte ich und berührte ihn, und er lächelte mich kurz und schüchtern an.
»Du hättest sie beißen sollen«, sagte Ian gerade streng zu Rollo. »Sie hat doch einen Hintern, der so groß ist wie ein Tabakfass – wie konntest du den verfehlen?«
»Wahrscheinlich hatte er Angst, sich zu vergiften«, sagte ich und trat aus meiner Ecke. »Glaubst du, sie hat es ernst gemeint – oder nein, sie hat es mit Sicherheit ernst gemeint. Aber glaubst du, sie kann es tun? Dafür sorgen, dass niemand mehr mit uns handelt, meine ich?«
»Sie kann dafür sorgen, dass Robin nicht mehr mit uns handelt«, sagte Jamie, und seine Miene nahm wieder einen gewissen Ingrimm an. »Was den Rest angeht… Wir werden sehen.«
Ian schüttelte stirnrunzelnd den Kopf und rieb sich vorsichtig mit den Fingerknöcheln der Faust über den Oberschenkel.
»Ich wusste doch, dass ich Manfred besser den Hals gebrochen hätte«, sagte er voll aufrichtigem Bedauern. »Wir hätten Frau Ute sagen können, dass er von einem Felsen gestürzt ist, und hätten uns eine Menge Ärger erspart.«
»Manfred?« Beim Klang des leisen Stimmchens fuhren wir herum wie ein Mann, um festzustellen, wer da gesprochen hatte.
Lizzie stand in der Tür, dünn und bleich wie ein hungriges Gespenst mit riesigen, vom Fieber noch glasigen Augen.
»Was ist denn mit Manfred?«, sagte sie. Sie schwankte gefährlich und streckte die Hand aus, um sich am Türrahmen abzustützen und nicht hinzufallen. »Was ist ihm zugestoßen?«
»Geschlechtskrank und abgehauen«, erklärte Ian wortkarg und richtete sich auf. »Ich hoffe, du hast ihm nicht deine Jungfräulichkeit geschenkt.«
Am Ende gelang es Ute McGillivray doch nicht, ihre Drohung vollständig in die Tat umzusetzen – doch sie richtete auch so genug Schaden an. Manfreds dramatisches Verschwinden, die Lösung seiner Verlobung mit Lizzie und der Grund für diesen Schritt verursachten einen fürchterlichen Skandal, der sich von Hillsboro und Salisbury, wo er hin und wieder als wandernder Büchsenmacher gearbeitet hatte, bis nach Salem und High Point herumsprach.
Infolge von Utes Bemühungen war die Geschichte jedoch noch verworrener als bei solchen Gerüchten üblich; die einen sagten, er hätte die Syphilis, andere, ich hätte ihn aufgrund eines erfundenen Streits mit seinen Eltern böswilliger- und fälschlicherweise beschuldigt, sie zu haben. Andere waren mir wohler gesinnt. Sie glaubten zwar nicht, dass Manfred die Krankheit hatte, sagten aber, ich hätte mich zweifellos geirrt.
Diejenigen, die es glaubten, dass er die Krankheit hatte, waren geteilter Meinung, wie er darangekommen war; die eine Hälfte war überzeugt, er
hätte sie von irgendeiner Hure, und ein Großteil der anderen spekulierte, dass er sie von der armen Lizzie hatte, deren Ruf schrecklich litt – bis Ian, Jamie, die Beardsley-Zwillinge und sogar Roger es übernahmen, ihre Ehre mit den Fäusten zu verteidigen. Zwar hörten die Leute an diesem Punkt nicht auf zu reden – aber sie hörten auf zu reden, wenn einer ihrer ritterlichen Verteidiger in Hörweite war.
Utes zahlreiche Verwandte in und um Wachovia, Salem, Bethabara und Bethania glaubten natürlich ihre Version der Geschichte und zerrissen sich fleißig die Mäuler. Salem stellte den Handel mit uns zwar nicht vollständig ein – aber viele einzelne Einwohner taten es. Und immer öfter machte ich die verstörende Erfahrung, einen Herrnhuter Bruder zu grüßen, den ich gut kannte, und dann mit ansehen zu müssen, wie er versteinert schweigend durch mich hindurchsah oder mir den Rücken zuwandte. So oft, dass ich nicht länger nach Salem ging.
Nachdem Lizzie ihre anfängliche
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