Ein Hauch von Schnee und Asche
kam.
»Du siehst nachdenklich aus«, sagte sie lächelnd, als sie auf die Matratze kletterte. »Worüber grübelst du nach?«
»Ich versuche, darauf zu kommen, was in aller Welt ich gesagt haben könnte, das Mrs. MacNeill für Latein gehalten hat, ganz zu schweigen von einer katholischen Anspielung«, erwiderte er und machte ihr kameradschaftlich Platz.
»Du hast jedenfalls nicht angefangen, ›Ave Maria‹ oder so etwas zu singen«, versicherte sie ihm. »Das wäre mir aufgefallen.«
»Mm«, sagte er und hustete. »Sprich lieber nicht vom Singen, aye?«
»Es wird sich bessern«, sagte sie überzeugt und wandte ihm den Rücken zu, um sich ein Nest zu machen. Die Matratze war mit Wolle gefüllt, viel gemütlicher – und sehr viel leiser – als Maisblätter, aber sehr anfällig für Klumpen und unregelmäßige Mulden.
»Aye, vielleicht«, sagte er, dachte dabei aber, vielleicht. Aber es wird nie mehr das, was es einmal war. Doch es war zwecklos, sich darüber Gedanken zu machen; er hatte seine Trauer aufgebraucht. Es war Zeit, das Beste aus der Situation zu machen und darüber hinwegzukommen.
Als sie es sich bequem gemacht hatte, drehte sie sich zu ihm um und seufzte zufrieden, während ihr Körper für eine Sekunde zu schmelzen und sich um ihn herum neu zu formen schien – eines ihrer vielen kleinen, wundersamen Talente. Sie hatte ihr Haar zum Schlafen zu einem dicken Zopf geflochten, und er fuhr mit der Hand daran entlang und erinnerte sich schaudernd an die Schlange. Er fragte sich, was Claire wohl damit gemacht hatte. Wahrscheinlich in ihrem Garten ausgesetzt, damit sie Mäuse fraß, Pragmatikerin, die sie war.
»Hast du herausgefunden, welche Geschichte von einer Dirne du weggelassen
hast?«, murmelte Brianna und bewegte ihre Hüften beiläufig, aber definitiv nicht zufällig gegen die seinen.
»Nein. Es gibt schrecklich viele Dirnen in der Bibel.« Er nahm ihre Ohrenspitze ganz sanft zwischen die Zähne, und sie holte plötzlich tief Luft.
»Was sind Dirnen?«, sagte eine schläfrige Kinderstimme aus dem Bettchen.
»Schlaf ein, Kumpel – ich erzähl’s dir morgen«, rief Roger und ließ seine Hand über Briannas sehr runde, sehr handfeste, sehr warme Hüfte gleiten.
Jemmy würde mit ziemlicher Sicherheit in ein paar Sekunden fest schlafen, doch sie beschränkten sich auf kleine geheime Berührungen unter der Bettdecke, bis sie sicher sein konnten, dass er absolut fest schief. Wenn er das Traumland einmal betreten hatte, schlief er wie ein Toter, doch er war schon mehr als einmal in ungünstigen Momenten von den ungewohnten Geräuschen seiner Eltern an der Schwelle wieder aufgeweckt worden.
»Ist es so, wie du es dir vorgestellt hattest?«, fragte Brianna und legte ihm nachdenklich den Daumen auf die Brustwarze, um ihn dort kreisen zu lassen.
»Ist was – oh, die Predigt. Na ja, abgesehen von der Schlange…«
»Nicht nur das – das Ganze. Glaubst du…« Sie sah ihm suchend in die Augen, und er versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagte, nicht das, was sie tat.
»Ah…« Seine Hand klammerte sich um die ihre, und er holte tief Luft. »Ja. Du meinst, ob ich mir nach wie vor sicher bin? Das bin ich; sonst hätte ich das alles nicht getan.«
»Pa – Papa – hat immer gesagt, es ist ein großer Segen, wenn man zu etwas berufen ist; zu wissen , dass man für eine Sache bestimmt ist. Meinst du, du hast von Jugend an eine – eine Berufung gehabt?«
»Na ja, eine Zeit lang war ich fest davon überzeugt, dass ich Tiefseetaucher werden sollte«, sagte er. »Lach nicht; das ist mein Ernst. Was ist mit dir?«
»Mit mir?« Sie machte ein überraschtes Gesicht, dann spitzte sie die Lippen und überlegte. »Tja, ich war auf einer katholischen Schule, und wir wurden natürlich alle gedrängt, Pastor oder Nonnen zu werden – aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich keine religiöse Berufung hatte.«
»Gott sei Dank«, sagte er so leidenschaftlich, dass sie lachen musste.
»Und dann habe ich eine Zeit lang gedacht, ich müsste Historikerin werden – dass ich es werden wollte. Und es war ja auch interessant«, sagte sie langsam. »Ich könnte das. Aber – was ich wirklich wollte, war Dinge zu konstruieren. Etwas zu bauen.« Sie zog ihre Hand unter der seinen hervor und wackelte mit ihren langen, eleganten Fingern. »Aber ich weiß nicht, ob das wirklich eine Berufung ist.«
»Meinst du nicht, dass Mutterschaft eine Art Berufung ist?« Er befand
sich hier auf sensiblem Terrain. Sie
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