Ein Hauch von Schnee und Asche
gelacht, als sie sich vorstellte, wie Mammuts durch die Bostoner Vorgärten streiften oder sich am Ufer des Cambridge River tummelten. Kurzfristig war sie sogar enttäuscht, dass es nicht so gewesen war; es wäre wunderbar gewesen, sie zu sehen.
»Nein«, sagte sie bedauernd. »Sie sind alle vor Tausenden und Abertausenden von Jahren gestorben. Als das Eis gekommen ist.«
»Eis?« Ian ließ den Blick zwischen ihr und dem Mammut hin und her schweifen, als fürchtete er, einer von beiden könne etwas Unziemliches tun.
»Die Eiszeit. Die Welt ist kälter geworden, und von Norden her haben sich Eisflächen ausgebreitet. Viele Tiere sind damals ausgestorben – ich meine, sie konnten kein Futter mehr finden und sind alle gestorben.«
Ian war blass vor Aufregung.
»Aye. Aye, solche Geschichten habe ich schon einmal gehört.«
»Wirklich?« Das überraschte sie.
»Aye. Aber du sagst, es ist echt.« Er wies erneut mit dem Kopf auf die Mammutknochen. »Ein Tier, aye, so wie ein Bär oder ein Opossum?«
»Ja«, sagte sie, verwundert über seine Stimmung, die zwischen Aufregung und Bestürzung zu pendeln schien. »Größer, aber sonst, ja. Was sollte es denn sonst sein?«
»Ah«, sagte er und holte tief Luft. »Nun, verstehst du, das war es, was ich von dir hören wollte, Cousinchen. Weißt du, die Kahnyen’kehaka – sie erzählen sich Geschichten von … Wesen. Tieren, die eigentlich Geister sind. Und wenn ich je etwas gesehen habe, das ein Geist sein könnte -« Er hatte den Blick immer noch auf das Skelett gerichtet, als könnte es aus dem Boden hervorspazieren, und sie merkte, wie ihn ein leichter Schauer überlief.
Auch sie konnte ein ähnliches Erschauern nicht unterdrücken, während sie das gigantische Tier betrachtete. Es überragte sie, grimmig und erschreckend, und einzig ihr Wissen, was es war, verhinderte, dass sie dem Bedürfnis nachgab, sich zu ducken und wegzulaufen.
»Es ist echt«, wiederholte sie zu ihrer eigenen Beruhigung genauso wie zu seiner. »Und es ist tot. Wirklich tot.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte er ernsthaft neugierig. »Du sagst, es ist uralt. Du musst doch in deiner eigenen Zeit viel weiter davon« – er wies mit einem Ruck seines Kinns auf das riesige Skelett – »entfernt sein, als wir es jetzt sind. Wie ist es möglich, dass du mehr darüber weißt, als es die Menschen heute tun?«
Sie schüttelte mit einem schwachen Lächeln den Kopf, denn sie konnte es ihm nicht erklären.
»Wann hast du es gefunden, Ian?«
»Letzten Monat. Ich bin durch die Schlucht gekommen -« er wies mit einer Geste den Bach entlang -, »und da war es. Ich habe mir fast in die Hose gemacht.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie und unterdrückte das Bedürfnis zu lachen.
»Aye«, sagte er, ohne ihre Belustigung wahrzunehmen, so sehr brannte er darauf, ihr alles zu erklären. »Ich wäre mir sicher gewesen, dass es ein Rawenniyo – ein Geist, ein Gott – ist, wenn der Hund nicht gewesen wäre.«
Rollo war aus dem Bach gestiegen, hatte sich das Wasser aus dem Fell geschüttelt und sich dann in den Schildblumen gewälzt; schwanzwedelnd vor Vergnügen, hatte er eindeutig keinerlei Notiz von dem stummen Giganten über ihm in der Böschung genommen.
»Was meinst du damit? Dass Rollo keine Angst davor hatte?«
Ian nickte.
»Aye. Er hat sich ganz so benommen, als ob da gar nichts wäre. Und doch…« Er zögerte und warf ihr einen Blick zu. »Manchmal im Wald. Er – er sieht Dinge. Dinge, die ich nicht sehen kann. Verstehst du?«
»Ich verstehe«, sagte sie, und erneut überlief sie ein Gefühl der Beklommenheit. »Hunde sehen … Dinge.« Sie konnte sich gut an ihre eigenen Hunde erinnern, besonders Smoky, den riesigen Neufundländer, der manchmal abends plötzlich den Kopf hob und lauschte. Seine Nackenhaare hatten sich gesträubt, während seine Augen … etwas … verfolgten, das das Zimmer durchquerte und verschwand.
Er nickte, erleichtert, dass sie wusste, wovon er sprach.
»So ist es. Ich bin weggelaufen, als ich das gesehen habe« – er wies mit einer Geste auf die Böschung – »und habe mich hinter einem Baum versteckt. Aber der Hund hat einfach weitergemacht, ohne es zu beachten. Also habe ich gedacht, nun ja, vielleicht ist es ja doch nicht das, wofür ich es halte.«
»Und wofür hast du es gehalten?«, fragte sie. »Ein Rawenniyo, sagst du?« Jetzt, da die Aufregung über den Anblick des Mammuts nachzulassen begann, fiel ihr wieder ein, weshalb sie theoretisch
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