Ein Hauch von Schnee und Asche
gewesen wären – jetzt das!«
Jamies Augenbrauen hoben sich abrupt, und er sah mich an, Ich zuckte sacht mit den Achseln. Der Kies bohrte sich scharf in meine Knie; ich erhob mich steif und entfernte die kleinen Steinchen.
»Wollt Ihr damit sagen, dass Lizzie, äh … jemanden liebt, der… nicht für sie taugt?«, fragte ich vorsichtig.
Mr. Wemyss erschauerte.
»Nicht taugt«, echote er mit hohler Stimme. »Gütiger Himmel. Nicht taugt!«
Ich hatte noch nie ein gotteslästerliches Wort aus Mr. Wemyss’ Munde gehört; es war verstörend.
Er richtete seine wild funkelnden Augen auf mich, und in die Tiefen von Jamies Umhang gekauert, sah er aus wie ein Sperling, der den Verstand verloren hatte.
»Ich habe alles für sie aufgegeben!«, sagte er. »Ich habe mich verkauft – und zwar mit Freuden! -, um sie vor der Ehrlosigkeit zu bewahren. Ich habe meine Heimat verlassen, habe Schottland verlassen, obwohl ich wusste, dass ich es nie wiedersehen würde, dass meine Knochen in fremdem Boden zurückbleiben würden. Und doch habe ich nie ein tadelndes Wort zu ihr gesagt, meiner lieben Kleinen, denn welche Schuld hatte sie denn daran? Und jetzt…« Er richtete seinen hohlen, gehetzten Blick auf Jamie.
»Mein Gott, mein Gott? Was soll ich tun?«, flüsterte er. Eine Bö donnerte zwischen den Felsen hindurch und peitschte den Umhang um ihn, so dass er ein paar Sekunden in einer grauen Hülle verschwand, als hätte ihn sein Kummer völlig umfangen.
Auch ich hielt meinen Umhang fest, damit er mir nicht vom Leib gerissen wurde; der Wind war so stark, dass ich fast den Halt verloren hätte. Jamie blinzelte in den Regen aus Staub und feinem Kies, der um uns tobte, und biss unbehaglich die Zähne zusammen. Er schlug zitternd die Arme um sich selbst.
»Ist die Kleine schwanger, Joseph?«, fragte er, denn er wäre der Sache offensichtlich gern auf den Grund gegangen, weil er nach Hause wollte.
Mr. Wemyss’ Kopf tauchte aus den Falten des Umhangs auf, das blonde Haar zerzaust wie Besenstroh. Mit blinzelnden roten Augen nickte er, dann brachte er den Krug zum Vorschein, hob ihn mit zitternden Händen und trank mehrere Schlücke. Ich sah das einzelne »X«, mit dem der Krug markiert war; in seiner typischen Bescheidenheit hatte er den frischen Rohwhisky genommen, nicht die im Fass gereifte, bessere Qualität.
Jamie seufzte, streckte die Hand aus, nahm ihm den Krug ab und trank seinerseits einen herzhaften Schluck.
»Wer?«, fragte er und reichte den Krug zurück. »Ist es mein Neffe?«
Mr. Wemyss starrte ihn mit Eulenaugen an.
»Euer Neffe?«
»Ian Murray«, warf ich helfend ein. »Ein hoch gewachsener junger Mann mit braunen Haaren? Tätowierungen?«
Jamie warf mir einen Blick zu, der andeutete, dass ich vielleicht doch nicht so hilfreich war, wie ich dachte, doch Mr. Wemyss’ Miene blieb verständnislos.
»Ian Murray?« Dann schien der Name den Alkoholnebel zu durchdringen. »Oh. Nein. Himmel, wäre es doch so! Ich würde den Jungen segnen«, brach es leidenschaftlich aus ihm heraus.
Ich wechselte erneut einen Blick mit Jamie. Die Sache schien ernst zu sein.
»Joseph«, sagte er mit einem winzigen Hauch von Bedrohung. »Es ist kalt.« Er wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab. »Wer hat Eure Tochter entehrt? Nennt uns seinen Namen, und ich sorge dafür, dass er sie morgen früh heiratet oder tot zu ihren Füßen liegt, was immer Euch lieber ist. Aber lasst uns das drinnen am Feuer besprechen, aye?«
»Beardsley«, sagte Mr. Wemyss in einem Ton, der auf Visionen äußerster Verzweiflung schließen ließ.
»Beardsley?«, wiederholte Jamie. Er sah mich verdutzt an. Es war nicht das, was ich erwartet hätte, aber es schockierte mich nicht besonders, es zu hören.
»Welcher der Beardsleys?«, fragte er relativ geduldig. »Jo? Oder Kezzie?«
Mr. Wemyss stieß einen Seufzer aus, der von den Sohlen seiner Füße kam.
»Sie weiß es nicht«, sagte er flach.
»Himmel«, sagte Jamie unwillkürlich. Er griff noch einmal nach dem Whisky und trank einen tiefen Schluck.
»Hm-mm«, räusperte ich mich mit einem viel sagenden Blick, als er den Krug sinken ließ. Er reichte ihn mir kommentarlos. Dann richtete er sich auf, das Hemd vom Wind an die Brust geklebt, das Haar wild verweht.
»Nun denn«, sagte er entschlossen. »Wir holen die beiden her und finden die Wahrheit heraus.«
»Nein«, sagte Mr. Wemyss, »das werden wir nicht. Sie wissen es genauso wenig.«
Ich hatte gerade den Mund voll rohem Alkohol. Bei
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