Ein Hauch von Schnee und Asche
aber voller Entschlossenheit. Wie ein Uhrwerk ergriff jeder der beiden Zwillinge die Hand auf seiner Schulter, und ihre Gesichter setzten ähnliche Mienen auf, aus denen zur Hälfte Anspannung, zur Hälfte Standhaftigkeit sprach.
Jamie beschloss klugerweise, nicht weiter darauf herumzureiten, sondern nickte mir stattdessen beiläufig zu. Ich nahm den Hocker selbst und war überraschend froh, mich setzen zu können.
»Die Jungen und ich haben uns mit deinem Vater unterhalten«, sagte er an Lizzie gerichtet. »Dann ist es also wahr, was du deinem Pa gesagt hast? Du bist schwanger, und du weißt nicht, welcher der Vater ist?«
Lizzie öffnete den Mund, doch es kamen keine Worte heraus. Also nickte sie nur linkisch.
»Aye. Nun denn, du musst heiraten, und zwar je eher, desto besser«, sagte er in ganz und gar sachlichem Ton. »Die Jungen konnten sich nicht entscheiden, wer von ihnen es sein sollte, also liegt es bei dir. Welcher?«
Weiße Knöchel wurden sichtbar, als sich alle sechs Hände plötzlich anspannten. Eigentlich war das Ganze hochgradig faszinierend – und ich konnte nicht verhindern, dass die drei mir Leid taten.
»Das kann ich nicht«, flüsterte Lizzie. Dann räusperte sie sich und versuchte es noch einmal. »Das kann ich nicht«, wiederholte sie jetzt kräftiger. »Ich möchte – ich möchte nicht wählen. Ich liebe sie beide.«
Jamie senkte den Blick einen Moment auf seine verschränkten Hände und spitzte die Lippen, während er überlegte. Dann hob er den Kopf und musterte sie sehr ruhig. Ich sah, wie sie sich mit zusammengepressten Lippen aufrichtete, zitternd, aber resolut, fest entschlossen, ihm zu trotzen.
Mit wahrhaft diabolischem Gespür für den richtigen Zeitpunkt richtete sich Jamie schließlich an Mr. Wemyss.
»Joseph?«, sagte er geduldig.
Mr. Wemyss hatte erstarrt dagesessen, den Blick auf seine Tochter gerichtet, die blassen Hände um seine Kaffeetasse geschlungen. Doch er zögerte nicht, ja, er blinzelte nicht einmal.
»Elizabeth«, sagte er mit sehr leiser Stimme, »liebst du mich ?«
Ihre trotzige Fassade brach auf wie ein zu Boden gefallenes Ei, und die Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Oh, Pa!«, sagte sie. Sie ließ die Zwillinge los und rannte zu ihrem Vater hinüber, der genau rechtzeitig aufstand, um sie fest in die Arme zu nehmen und seine Wange an ihr Haar zu drücken. Sie klammerte sich schluchzend an ihn, und ich hörte einen kurzen Seufzer von einem der Zwillinge, obwohl ich nicht sagen konnte, von welchem.
Mr. Wemyss schwankte sacht mit ihr hin und her, tätschelte und tröstete sie, und sein Gemurmel ging in ihren Schluchzern und abgehackten Worten unter.
Jamie beobachtete die Zwillinge – nicht ohne Mitgefühl. Sie hatten die Hände miteinander verknotet, und Kezzie hatte die Zähne in die Unterlippe gebohrt.
Lizzie löste sich von ihrem Vater. Sie zog die Nase hoch und tastete vage nach einem Taschentuch. Ich zog eins aus meiner Tasche, stand auf und gab es ihr. Sie putzte sich fest die Nase und rieb sich die Augen, wobei sie es vermied, Jamie anzusehen; sie wusste sehr wohl, wo die Gefahr lag.
Doch das Zimmer war ziemlich klein, und Jamie war ein Mensch, der selbst in einem großen Raum nicht leicht zu ignorieren war. Anders als mein Sprechzimmer hatte das Studierzimmer nur kleine Fenster, die hoch oben in der Wand lagen, was dem Zimmer unter normalen Umständen eine gedämpfte Heimeligkeit verlieh. Im Moment regnete es draußen, das Zimmer war von grauem Licht erfüllt, und die Luft war kühl.
»Es geht jetzt nicht darum, wen du liebst, Kleine«, sagte Jamie ganz sanft. »Nicht einmal darum, ob du deinen Vater liebst.« Er wies kopfnickend auf ihren Bauch. »Du trägst ein Kind in deinem Bauch. Alles, was jetzt zählt, ist, ihm gerecht zu werden. Und das geht nicht, wenn seine Mutter in dem Ruf steht, eine Hure zu sein, aye?«
Ein fleckiges Rot stieg ihr in die Wangen.
»Ich bin keine Hure!«
»Das habe ich auch nicht behauptet«, erwiderte Jamie ruhig. »Aber andere werden es sagen, wenn es sich herumspricht, was du getan hast, Kleine. Für zwei Männer die Beine breit machen und mit keinem davon verheiratet sein? Und jetzt mit einem Kind, dessen Vater du nicht benennen kannst?«
Sie wandte wütend den Kopf ab – und sah ihren Vater an, der sein Haupt gesenkt hatte und dessen Wangen sich nun vor Scham verfärbten. Sie stieß ein leises, erschüttertes Geräusch aus und vergrub das Gesicht in ihren Händen.
Die Zwillinge rutschten
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