Ein Hauch von Schnee und Asche
klopfen, hörte sie gedämpft und aufgeregt konferieren – und die ganze Zeit wurde es im Osten heller. Plätscherndes Wasser und knarrende Ruder, die Laute unruhigen Milchviehs, das danach verlangte, gemolken zu werden, und mit dem zunehmenden Wind der Geruch von Männern, schal von Schlaf und Hunger, scharf vom Schwarzpulver und dem Duft des Stahls.
Ohne nachzudenken zog er seine Hand aus der Umklammerung seiner Frau, wälzte sich auf sie, zog ihr das Hemd von den Oberschenkeln und nahm sie fest und schnell, um von fern jenen blinden Drang nach Vermehrung zu teilen, der aus der unmittelbaren Nähe des Todes entsprang.
Lag zitternd auf ihr; der Wind aus dem Fenster trocknete ihm den Schweiß auf dem Rücken, das Herz hämmerte ihm in den Ohren. Für den einen, dachte er. Den einen, der als Erster fallen würde. Den armen Kerl, der seine Frau vielleicht nicht in der Dunkelheit genommen hatte, die Gelegenheit nicht genutzt hatte, sie zu schwängern, weil er keine Ahnung gehabt hatte, was mit der Dämmerung auf ihn zukam. Dieser Dämmerung.
Brianna lag still unter ihm; er konnte das Heben und Senken ihrer Atmung spüren, ihrer kräftigen Rippen, die sich sogar unter seinem Gewicht hoben.
»Das Weitere kennt ihr« , flüsterte sie.
»Brianna«, sagte er ganz leise. »Ich würde meine Seele verkaufen, um jetzt dort zu sein.«
»Schhh«, sagte sie, doch ihre Hand hob sich und ließ sich wie segnend auf seinem Rücken nieder. Sie lagen still, sahen zu, wie es heller wurde, und schwiegen.
Dieses Schweigen wurde eine Viertelstunde später durch das Geräusch hastiger Schritte und ein Klopfen an der Tür gebrochen. Jemmy fuhr mit großen Augen aus seinen Decken wie ein Kuckuck aus der Uhr, und Roger richtete sich auf und strich sich hastig das Nachthemd herunter.
Es war einer der Beardsleys, das Gesicht verkrampft und weiß im grauen Licht. Er schenkte Roger keine Beachtung, sondern rief Brianna zu: »Lizzie bekommt das Baby, kommt schnell!«, um dann in Richtung des Haupthauses davonzuschießen, wo sein Bruder wild gestikulierend auf der Veranda zu sehen war.
Brianna warf sich die Kleider über und schoss aus der Hütte. Sie überließ es Roger, sich um Jemmy zu kümmern. Sie begegnete ihrer Mutter, die ähnlich zerzaust, aber mit einer sorgfältig gepackten Arzttasche über der Schulter
auf den schmalen Fußweg zuhastete, der an Kühlhaus und Stall vorbei in den weiter entfernten Wald führte, in dem die Hütte der Beardsleys stand.
»Sie hätte letzte Woche vom Berg herunterkommen sollen«, keuchte Claire. »Ich habe ihr gesagt…«
»Ich auch. Sie hat gesagt…« Brianna gab den Versuch zu sprechen auf. Die Beardsley-Zwillinge waren ihnen längst weit voraus. Sie spurteten wie Rehe durch den Wald und stießen dabei lautes Geheul aus – ob vor lauter Aufregung über ihre bevorstehende Vaterschaft oder um Lizzie wissen zu lassen, dass Hilfe unterwegs war, konnte sie nicht sagen.
Sie wusste, dass sich Claire Sorgen wegen Lizzies Malaria machte. Und doch war der gelbe Schatten, der so oft über ihrer ehemaligen Leibeigenen schwebte, während ihrer Schwangerschaft so gut wie verschwunden; Lizzie war aufgeblüht.
Dennoch spürte Brianna, wie sich ihr Magen vor Angst verkrampfte, als die Hütte der Beardsleys in Sicht kam. Die Felle waren ins Freie geschafft worden; sie hatten sie wie eine Barrikade rings um das Häuschen aufgestapelt, und der Gestank beschwor für eine Sekunde die Hütte der MacNeills herauf, nachdem der Tod dort Einzug gehalten hatte.
Doch die Tür stand offen, und es gab keine Fliegen. Sie zwang sich, einen Moment zurückzubleiben, Claire als Erste eintreten zu lassen, folgte ihr jedoch dann auf dem Fuße – um festzustellen, dass sie zu spät kamen.
Lizzie saß in ihrer mit Fellen abgetrennten Kemenate und blinzelte ebenso erstaunt wie betäubt ein kleines, rundes, blutverschmiertes Baby an, das ihren Blick mit derselben Verblüffung erwiderte.
Jo und Kezzie klammerten sich aneinander, zu aufgeregt und verängstigt, um etwas zu sagen. Brianna sah aus dem Augenwinkel, wie sich ihre Münder rhythmisch öffneten und schlossen, und sie hätte am liebsten gelacht, folgte aber stattdessen ihrer Mutter ans Bett.
»Er ist einfach so herausgerutscht!«, sagte Lizzie gerade. Sie sah Claire kurz an, richtete ihren faszinierten Blick dann aber ruckartig wieder auf das Baby, als erwartete sie, dass es – Brianna sah, dass es ein Junge war – genauso plötzlich verschwand, wie es gekommen
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