Ein Hauch von Schnee und Asche
nicht das erste Mal?«, fragte ich scharf.
»Ja, M’m.« Sein Kopf wackelte wie eine Sonnenblume im Wind, und ich schob ihm eine Hand unter die Achsel, bevor er wieder umfiel. »Seine Lordschaft hoffte, ihr wüsstet etwas, damit es aufhört.«
»Seine Lord – oh, er wusste von den Ohnmachtsanfällen?« Nun, natürlich wusste er das, wenn Bobby regelmäßig vor seiner Nase in Ohnmacht fiel.
Er nickte und holte tief und keuchend Luft.
»Doktor Potts hat mich zur Ader gelassen, zweimal die Woche, aber es schien nicht zu helfen.«
»Wohl kaum. Ich hoffe, er war Euch bei Euren Hämorrhoiden eine größere Hilfe«, merkte ich trocken an.
Ein zarter Hauch von Rosa – der arme Junge hatte ja kaum genug Blut, um anständig rot zu werden – stieg in seinen Wangen auf, und er wandte den Blick ab und heftete ihn auf den Löffel.
»Äh… ich … äh … davon habe ich niemandem erzählt.«
»Nicht?« Das überraschte mich. »Aber -«
»Wisst Ihr, es war nur der Ritt. Aus Virginia.« Der rosafarbene Fleck wuchs. »Ich hätte es mir nicht anmerken lassen, aber nach einer Woche auf diesem verdammten Pferd – bitte um Verzeihung, Ma’am – hatte ich solche Schmerzen… ich hätte es nicht verheimlichen können.«
»Dann wusste Lord John auch nichts davon?«
Er schüttelte heftig den Kopf, so dass ihm die zerzausten Locken wieder in die Stirn fielen. Ich ärgerte mich fürchterlich – über mich selbst, weil ich Lord Johns Beweggründe offensichtlich falsch eingeschätzt hatte, und über Lord John, weil ich mir seinetwegen jetzt wie ein Idiot vorkam.
»Nun denn… fühlt Ihr Euch jetzt ein wenig besser?« Lizzie kam einfach nicht mit dem Brandy, und ich fragte mich kurz, wo sie war. Bobby war immer noch sehr blass, nickte aber tapfer und kämpfte sich auf die Beine hoch. Dann stand er schwankend und blinzelnd da und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Das »M«-Brandzeichen auf seiner Wange zeichnete sich in aggressivem Rot auf seiner blassen Haut ab.
Durch Bobbys Ohnmacht abgelenkt, hatte ich nicht auf die Geräusche geachtet, die von der anderen Seite des Hauses kamen. Jetzt jedoch wurde ich mir des Klangs von Stimmen und herannahenden Schritten bewusst.
Jamie und die beiden Browns kamen um die Ecke des Hauses gebogen. Als sie uns sahen, blieben sie stehen. Jamies Stirn war leicht gerunzelt gewesen; jetzt nahm das Stirnrunzeln zu. Die Browns schienen dagegen von einer merkwürdigen, wenn auch grimmigen Heiterkeit erfüllt zu sein.
»Dann ist es also wahr.« Richard Brown sah Bobby Higgins scharf an, dann wandte er sich an Jamie. »Ihr beherbergt einen Mörder!«
»Ach ja?« Jamie war höflich, aber eiskalt. »Ich hatte ja keine Ahnung.« Er verbeugte sich nach bester französischer Hofmanier vor Bobby Higgins, dann richtete er sich auf und wies auf die Browns. »Mr. Higgins, darf ich Euch Mr. Richard Brown und Mr. Lionel Brown vorstellen. Meine Herren – mein Gast, Mr. Higgins.« Er sprach die Worte »mein Gast« mit einer besonderen Betonung aus, woraufhin Richard Brown seinen schmalen Mund so fest zusammenpresste, dass er beinahe unsichtbar wurde.
»Hütet Euch, Fraser«, sagte er und starrte Bobby dabei an, als wollte er
ihn davor warnen, sich in Luft aufzulösen. »Den falschen Umgang zu hegen, kann heutzutage gefährlich sein.«
»Ich wähle meinen Umgang so, wie es mir passt, Sir.« Jamie sprach leise und biss jedes Wort einzeln mit den Zähnen ab. »Und den Euren wähle ich nicht. Joseph!«
Lizzies Vater, Joseph Wemyss, kam um die Ecke und führte die beiden aufmüpfigen Maultiere herbei, die jetzt beide so friedlich wie junge Katzen zu sein schienen, obwohl Mr. Wemyss neben ihnen wie ein Zwerg aussah.
Bobby Higgins, den diese Vorgänge völlig verwirrten, sah mich Hilfe suchend an. Ich zuckte sacht mit den Achseln und schwieg, während die beiden Browns aufstiegen und starr vor Wut von der Lichtung ritten.
Jamie wartete, bis sie außer Sichtweite waren, dann atmete er aus, rieb sich heftig mit der Hand durch das Haar und brummte etwas auf Gälisch. Ich konnte ihm nicht bis ins Detail folgen, begriff aber, dass er den Charakter unserer Besucher mit dem von Mr. Higgins’ Hämorrhoiden verglich und diese dabei vorteilhafter wegkamen.
»Verzeihung, Sir?« Higgins’ Miene war verwirrt, aber eifrig bestrebt, es ihm recht zu machen.
Jamie sah ihn an.
»Sollen sie doch gehen und sich die Köpfe zerbrechen«, murmelte er und tat die Browns mit einer Geste ab. Er fing meinen Blick auf und
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