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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Persimonenbier, Rhabarberwein, Blaubeerwein, Kirschlikör und Maibowle. Nicht all diese Getränke waren alkoholisch, doch die meisten.

    Roger beschränkte sich weitgehend auf Bier und war froh, sich so zurückgehalten zu haben, als er auf der Straße Davy Caldwell begegnete, der sich mit einer Hand voll früher Aprikosen von einem Obststand abwandte.
    »Mr. MacKenzie!«, rief Caldwell und begrüßte ihn begeistert. »Ich hatte gar nicht damit gerechnet, Euch hier zu begegnen, aber was für ein Segen!«
    »Ein Segen, in der Tat«, sagte Roger und schüttelte dem Pastor ausgesprochen herzlich die Hand. Caldwell hatte ihn und Brianna getraut und war einige Monate zuvor in der Presbyterianerakademie sein geistlicher Ratgeber gewesen. »Wie geht es Euch, Mr. Caldwell?«
    »Och, was mich selbst angeht, gut – aber mir schwant Übles, was das Schicksal meiner armen Brüder angeht!« Caldwell schüttelte betrübt den Kopf und wies auf eine Gruppe von Männern, die sich lachend und plaudernd in Simon’s Wirtshaus drängte. »Was soll dabei nur herauskommen, Mr. MacKenzie – was soll dabei herauskommen?«
    Einen unausgeglichenen Moment lang war Roger versucht, ihm genau das zu erzählen. Stattdessen wies er jedoch Jamie – der auf der Straße von einem Bekannten aufgehalten worden war – mit einer Geste an, ohne ihn weiterzugehen und wandte sich ab, um Caldwell ein Stück zu begleiten.
    »Seid Ihr denn wegen des Kongresses hier, Mr. Caldwell?«, fragte er.
    »In der Tat, Mr. MacKenzie, in der Tat. Ich habe zwar nur wenig Hoffnung, dass meine Worte etwas ändern werden, doch es ist meine Pflicht, meiner Meinung Ausdruck zu verleihen, und das werde ich tun.«
    Davy Caldwells Meinung war, dass eine schockierende Trägheit der Menschen an der gesamten gegenwärtigen Lage schuld war. Er war überzeugt, dass gedankenlose Apathie und »eine stupide Konzentration auf das persönliche Wohlergehen« auf Seiten der Kolonisten Krone und Parlament dazu provozierten und in Versuchung führten, tyrannische Macht auszuüben.
    »Das ist ein gutes Argument«, sagte Roger, der sich bewusst wurde, dass Caldwells leidenschaftliche Gesten Aufmerksamkeit erregten, selbst unter den Leuten auf der Straße, die zum Großteil selbst in mehr oder minder heftige Streitgespräche vertieft waren.
    »Ein Argument!«, rief Caldwell aus. »Aye, das stimmt, und es ist das Argument schlechthin. Die Ignoranz, die Missachtung jedweder moralischen Verpflichtung und die große Liebe zur Bequemlichkeit, die dem gemeinen Kriecher und Faulpelz eigen sind, korrespondieren haargenau – haargenau! – mit dem Appetit und Zynismus eines Tyrannen.«
    Er funkelte einen Herrn an, der sich an eine Hauswand gehockt hatte und sich den Hut ins Gesicht gezogen hatte, um eine kurze Zuflucht vor der Mittagshitze zu suchen.
    »Der Geist Gottes muss die Trägen erlösen, die Menschen in Tätigkeit versetzen und sie mit Haltung und freiheitlichem Denken erfüllen!«
    Roger fragte sich, ob Caldwell die kommende Welle der Tätigkeit für das
Resultat göttlicher Intervention halten würde – besann sich dann jedoch darauf, dass dies sehr wahrscheinlich war. Caldwell war zwar ein Denker, aber auch ein standhafter Presbyterianer und glaubte daher an die Prädestination.
    »Die Trägen öffnen der Unterdrückung Tür und Tor«, erklärte Caldwell mit einer verächtlichen Geste in Richtung einer Kesselflickerfamilie, die sich im Vorgarten eines Hauses genüsslich und al fresco über ihr Mittagessen hermachte. »Ihre Scham und ihre zunehmende Niedergeschlagenheit, ihre erbärmliche Willfährigkeit und Unterwürfigkeit – sie werden zu selbst geschmiedeten Ketten der Sklaverei!«
    »Oh, aye«, sagte Roger und hustete. Caldwell war für seine Predigten berühmt, und er war stets darauf bedacht, nicht aus der Übung zu kommen. »Trinkt Ihr etwas mit, Mr. Caldwell?« Es war ein warmer Tag, und Caldwells rundes Engelsgesicht wurde langsam ziemlich rot.
    Sie gingen in Thomas’ Wirtshaus, eine recht respektable Schankwirtschaft, und setzten sich mit einem Krug des hausgemachten Biers nieder – denn wie die meisten anderen auch betrachtete Caldwell Bier nicht als »Alkohol« wie Rum oder Whisky. Was sollte man schließlich sonst trinken? Milch?
    Dem Einfluss der Sonne entzogen und mit einem kühlen Gezapften in der Hand wurden nicht nur Davy Caldwells Worte weniger hitzig, sondern auch seine Gesichtsfarbe.
    »Gott sei gepriesen, dass ich Euch hier treffe, Mr. MacKenzie«, sagte er, nachdem

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