Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
hatte. »Oh, Ian.«
    Er war zum Bersten angespannt, doch bei meinen Worten ließ die Anspannung in dem Arm unter meiner Hand ein wenig nach, und ich sah, dass er die Augen geschlossen hatte.
    »Es tut mir Leid, Tante Claire«, flüsterte er.
    Ich tätschelte ihm wortlos den Arm. Die Biene flog davon, und ich wünschte mir leidenschaftlich, ich könnte mit ihr tauschen. Es würde so wunderbar sein, nichts als das Sammeln im Sinn zu haben und nur dieses eine Ziel unter der Sonne zu verfolgen.
    Eine andere Biene landete auf Ians Kragen, und er streifte sie geistesabwesend ab.
    »Nun, also«, sagte er. Er holte tief Luft und wandte mir den Kopf zu, um mich anzusehen. »Was muss ich tun, Tante Claire?«
    Seine Augen waren dunkel vor Sorge und Elend – und etwas, das große Ähnlichkeit mit Angst hatte, dachte ich.
    »Tun?«, sagte ich und klang so verständnislos, wie ich mich fühlte. »Jesus H. Roosevelt Christ, Ian.«
    Ich hatte nicht beabsichtigt, ihn zum Lächeln zu bringen, und er lächelte auch nicht, aber er schien sich ganz schwach zu entspannen.
    »Aye, ich habe es schon getan«, sagte er sehr reumütig. »Aber – es ist geschehen, Tante Claire. Wie kann ich es wieder gutmachen?«
    Ich rieb mir die Stirn und versuchte nachzudenken. Rollo hatte seinen Ball zurückgebracht, doch als er sah, dass Ian nicht in der Stimmung war zu spielen, ließ er ihn zu seinen Füßen fallen und lehnte sich hechelnd an sein Bein.
    »Malva«, sagte ich schließlich. »Hat sie es dir gesagt? Vorher, meine ich.«

    »Du meinst, ich habe sie verschmäht, und deshalb hat sie Onkel Jamie beschuldigt?« Er warf mir einen ironischen Blick zu und kraulte Rollo geistesabwesend den Nacken. »Nun, das kann ich dir nicht verdenken, Tante Claire, aber so ist es nicht. Sie hat kein Wort zu mir darüber gesagt. Wenn sie das getan hätte, hätte ich sie auf der Stelle geheiratet.«
    Nun, da er die Hürde seines Geständnisses genommen hatte, fiel ihm das Reden leichter.
    »Du bist nicht auf den Gedanken gekommen, sie zuerst zu heiraten?«, sagte ich, vielleicht mit einem Hauch von Schärfe.
    »Äh … nein«, sagte er sehr verlegen. »Es war nicht unbedingt eine Sache von – nun ja, eigentlich habe ich gar nicht gedacht, Tante Claire. Ich war betrunken. Zumindest beim ersten Mal«, fügte er der Vollständigkeit halber hinzu.
    »Beim ersten -? Wie oft -? Nein, sag’s mir nicht. Ich möchte die schmutzigen Details gar nicht wissen.« Ich gebot ihm mit einer knappen Geste zu schweigen und setzte mich gerade hin, weil mir ein Gedanke kam. »Bobby Higgins. War das -«
    Er nickte und senkte die Wimpern, so dass ich seine Augen nicht sehen konnte. Das Blut war ihm unter die Sonnenbräune gekrochen.
    »Aye. Das war der Grund, warum – ich meine, ich wollte sie eigentlich nie heiraten, aber ich hätte sie trotzdem gefragt, nachdem wir … Aber ich habe es ein wenig aufgeschoben, und -« Er rieb sich hilflos das Gesicht. »Nun, ich wollte sie nicht als Frau, aber ich konnte das Verlangen nach ihr trotzdem nicht abstellen. Ich weiß genau, wie schlimm dir das vorkommen muss – aber ich muss die Wahrheit sagen, Tante Claire, und das ist sie.« Er holte kräftig Luft und fuhr fort.
    »Ich habe… auf sie gewartet. Im Wald, wenn sie Kräuter oder Beeren sammeln ging. Sie hat nichts gesagt, wenn sie mich gesehen hat, nur gelächelt und ihre Röcke ein wenig gehoben, dann hat sie sich schnell umgedreht und ist weggelaufen und… Himmel, ich bin ihr nach wie ein Hund hinter einer läufigen Hündin«, sagte er bitter. »Aber dann bin ich eines Tages zu spät gekommen, und sie war nicht an der Stelle, wo wir uns immer getroffen haben. Aber ich habe sie lachen gehört, ein Stück weiter, und als ich nachsehen gegangen bin …«
    Er verdrehte seine Hände so, dass er sich einen Finger ausrenkte, und zog eine Grimasse. Rollo jaulte leise.
    »Sagen wir einfach, das Kind könnte genauso gut von Bobby Higgins sein«, sagte er abgehackt.
    Ich fühlte mich plötzlich wieder so erschöpft wie während meiner Erholung von der Krankheit, als sei selbst das Atmen eine zu große Anstrengung. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Palisaden und spürte das kühle, papierne Rascheln der Weinblätter an meinem Hals, ein sanftes Fächeln an meinen heißen Wangen.

    Ian beugte sich vor, den Kopf in den Händen, und die grünen Schatten flackerten über ihn hinweg.
    »Was soll ich tun?«, fragte er schließlich mit erstickter Stimme. Er hörte sich genauso müde an, wie ich mich

Weitere Kostenlose Bücher