Ein Hauch von Schnee und Asche
er seinen Krug abgesetzt und tief Luft geholt hatte. »Ich hatte Euch einen Brief geschickt, aber sicher seid Ihr schon von zu Hause aufgebrochen, bevor er Euch erreichen konnte. Ich wollte Euch eine freudige Nachricht mitteilen – es kommt ein Presbyterianerrat zusammen.«
Roger spürte, wie sein Herz plötzlich einen Satz machte.
»Wirklich? Wann denn? Und wo?«
»Edenton, Anfang nächsten Monats. Reverend Dr. Kenneth McCorkle kommt aus Philadelphia.Er wird dort eine Weile bleiben, bevor er seine Reise fortsetzt – er reist zu den Westindischen Inseln, um die Bemühungen der dortigen Kirche zu unterstützen. Ich wüsste natürlich gern, wie es bei Euch steht. Ich entschuldige mich für meine direkte Frage, Mr. MacKenzie – aber ist es nach wie vor Euer Wunsch, Euch ordinieren zu lassen?«
»Von ganzem Herzen.«
Caldwell strahlte und nahm ihn fest an der Hand.
»Was für eine Wonne, mein Lieber – große Wonne.«
Er begann mit einer detaillierten Beschreibung McCorkles, dem er einmal in Schottland begegnet war, und ging dann zu einer Reihe von Überlegungen bezüglich der Lage der Religion in der Kolonie über – vom Methodismus sprach er durchaus mit Respekt, doch die Baptisten betrachtete er als »ziemlich ungeregelt«, was ihre salbungsvollen Gottesdienste betraf, wenn dies auch zweifellos gut gemeint war – und aufrichtiger Glaube
war doch sicherlich besser als Unglaube, ganz gleich in welcher Form. Irgendwann jedoch kam er wieder auf die unmittelbare Gegenwart zu sprechen.
»Ihr seid doch mit Eurem Schwiegervater hier, oder?«, fragte er. »Ich meine, ihn auf der Straße gesehen zu haben.«
»So ist es«, bestätigte Roger, der in seiner Tasche nach einem Geldstück suchte. Die Tasche war voller zusammengerollter Pferdehaare; aus akademischer Erfahrung hatte er gegen mögliche Langeweile vorgesorgt, indem er sich Material für eine neue Angelschnur mitgebracht hatte.
»Ah.« Caldwell sah ihn scharf an. »Ich habe in letzter Zeit Dinge gehört – ist es wahr, dass er ein Whig geworden ist?«
»Er ist ein überzeugter Freund der Freiheit«, sagte Roger vorsichtig und holte Luft. »Genau wie ich.« Er hatte bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt, es laut zu sagen; er verspürte ein leises Gefühl der Atemlosigkeit gleich unter dem Brustbein.
»Aha, aha, sehr gut! Ich hatte, wie gesagt, davon gehört – und doch wird überall anderes erzählt; dass er ein Tory ist, Loyalist wie seine Verwandten, und dass seine Bekenntnisse zur Unabhängigkeitsbewegung nur eine Finte sind.« Dies war nicht als Frage formuliert, doch Caldwells hochgezogene Augenbraue, schräg wie der Hut eines Gecken, verdeutlichte, dass es eine war.
»Jamie Fraser ist ein aufrechter Mensch«, sagte Roger und leerte seinen Krug. »Und ein Ehrenmann«, fügte er hinzu und setzte ihn ab. »Und wo wir gerade von ihm reden, ich glaube, ich muss ihn suchen.«
Caldwell sah sich um; Unruhe kam auf, weil die meisten Männer nach der Rechnung riefen und sie begleichen wollten. Die offizielle Zusammenkunft der Delegierten sollte um zwei Uhr in MacIntyres Scheune beginnen. Inzwischen war es nach Mittag; die Delegierten, Redner und Zuschauer würden sich jetzt allmählich versammeln und sich für einen Nachmittag der Auseinandersetzungen und Entscheidungen rüsten. Das Gefühl der Atemlosigkeit kehrte zurück.
»Aye, nun denn. Grüßt ihn bitte von mir – obwohl ich ihn ja vielleicht selbst sehen werde. Und möge der Heilige Geist die verkrusteten Gewohnheiten und die Lethargie durchdringen, die Seelen derer, die sich heute hier versammeln, bekehren und ihr Gewissen wecken.«
»Amen«, sagte Roger und lächelte trotz der Blicke der Männer – und nicht wenigen Frauen.
Er fand Jamie im Blue Boar in der Gesellschaft einer Reihe von Männern, an deren Verkrustungen der Heilige Geist der Lautstärke nach schon hart zugange gewesen war. Doch das Geplauder an der Tür verstummte, als er sich seinen Weg durch den Schankraum bahnte – nicht aufgrund seiner Anwesenheit, sondern weil in der Mitte etwas Interessanteres vor sich ging.
Nämlich: Jamie Fraser und Neil Forbes, die sich, beide rot vor Hitze und
Leidenschaft und nach mindestens fünf Litern gemischter Alkoholika, Kopf an Kopf über einen Tisch hinweg auf Gälisch anzischten.
Nur wenige der Zuschauer sprachen Gälisch; diese übersetzten die Höhepunkte des Dialogs hastig für den Rest der Menge.
Die Beleidigung auf Gälisch war eine Kunstform, und zwar eine, die sein
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