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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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herumgegangen, und sie hat gedacht , er käme heraus«, sagte sie und wich dabei sorgfältig jeder Frage aus, warum ein schottischer Herr in den mittleren Jahren im Nachthemd um ein Grab wandern sollte; Jemmy fand offenbar nichts Seltsames an dieser Vorstellung.
    Sie dachte zwar daran zu fragen, was Angelina eigentlich mitten in der Nacht im Freien zu suchen hatte, überlegte es sich aber anders. Der wahrscheinlichste Grund, den ein Mädchen in ihrem Alter haben konnte, sich in der Nacht aus dem Haus zu stehlen, gehörte nicht zu den Dingen, die ein Junge in Jemmys Alter hören musste.
    Ihr Mund spannte sich ein wenig an, als sie an Malva Christie dachte, die vielleicht ebenfalls zu einem Rendezvous in Claires Garten unterwegs gewesen war. Wer?, fragte sie sich zum tausendsten Mal, während sie sich automatisch bekreuzigte und ein kurzes Gebet für Malvas Seelenfrieden sprach. Wer war es gewesen? Wenn es je jemanden gegeben hatte, der Grund hatte, als Gespenst umzugehen …
    Ein kleiner Schauer überlief sie, doch das brachte sie auf eine neue Idee.
    »Ich glaube, es war Mr. Buchanan, den Angelina gesehen hat«, sagte sie entschlossen. »Aber wenn du doch einmal Angst vor Gespenstern hast –
oder vor etwas anderem -, dann machst du einfach das Kreuzzeichen und sprichst schnell ein Gebet zu deinem Schutzengel.«
    Bei diesen Worten wurde ihr ein wenig schwindelig – vielleicht war es ein Déjà-vu ; sie hatte das Gefühl, dass irgendjemand – ihre Mutter? Ihr Vater? – genau das einmal zu ihr gesagt hatte, irgendwann in der fernen Vergangenheit ihrer Kinderzeit. Wovor hatte sie sich gefürchtet? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, doch sie erinnerte sich an das Gefühl der Sicherheit, das ihr das Gebet gegeben hatte.
    Jem runzelte unsicher die Stirn; er kannte zwar das Kreuzzeichen, war sich aber nicht so sicher, was das Engelsgebet anging. Sie übte es mit ihm und bekam dabei leise Schuldgefühle.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis er offen vor jemandem, der Roger wichtig war, irgendeine katholische Geste machte – wie zum Beispiel das Kreuzzeichen. Die meisten Leute gingen davon aus, dass die Frau des Pastors ebenfalls Protestantin war – oder sie kannten die Wahrheit, befanden sich aber nicht in einer Position, in der sie deswegen einen Aufstand machen konnten. Ihr war bewusst, dass in Rogers Gemeinde getuschelt wurde – vor allem seit Malvas Tod und dem Gerede über ihre Eltern. Bei diesem Gedanken spürte sie, wie sich ihr Mund erneut verkrampfte, und sie entspannte ihn bewusst -, doch Roger weigerte sich standhaft, derartige Bemerkungen zur Kenntnis zu nehmen.
    Sie spürte einen Stich der Sehnsucht nach Roger, trotz ihrer beunruhigenden Gedanken an mögliche religiöse Komplikationen. Er hatte geschrieben: McCorkle war aufgehalten worden, sollte aber innerhalb der nächsten Woche in Edenton eintreffen. Dann etwa eine Woche für das, was auch immer dann zu tun war – und danach würde er nach River Run kommen, um sie und Jem zu holen.
    Er war so glücklich bei dem Gedanken an seine Ordinierung; wenn er erst einmal ordiniert war, konnten sie ihn doch sicher seines Amtes nicht wieder entheben, weil er eine katholische Frau hatte, oder?
    Würde sie konvertieren, wenn sie dazu gezwungen war, damit Roger sein konnte, was er so eindeutig sein wollte – und sein musste? Bei diesem Gedanken wurde ihr hohl zumute, und sie legte die Arme um Jemmy, um sich zu beruhigen. Seine Haut war feucht und immer noch babyweich, doch darunter konnte sie feste Knochen spüren, die seine künftige Größe verhießen, die eines Tages die seines Vaters und seines Großvaters erreichen würde. Ihr Vater – das war ein kleiner, wärmender Gedanke, der all ihre Ängste beruhigte und sogar den Schmerz linderte, den Rogers Fehlen ihr bereitete.
    Jemmys Haare waren längst nachgewachsen, doch sie küsste die Stelle hinter seinem Ohr, an der sich das verborgene Mal befand, und er zog kichernd den Kopf ein, weil ihr Atem ihn am Hals kitzelte.
    Dann schickte sie ihn los, um das Hemd mit dem Farbfleck zu Matilda zu
bringen, die für die Wäscherei zuständig war, damit diese zusah, was noch zu retten war, und wandte sich wieder ihrem Mörser zu.
    Irgendetwas schien mit dem Mineralgeruch des zerstampften Malachits nicht zu stimmen; sie hob den Mörser hoch und roch daran, obwohl ihr bewusst war, dass das lächerlich war: Gemahlener Stein konnte nicht schlecht werden. Vielleicht beeinträchtigte die Mischung aus Terpentin und Mr.

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