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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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friedlich und gedankenverloren im Mondschein, so als könnte er einen Teil des Traums noch vor sich sehen.
    »Es ist alles gut«, sagte er. »Sie sind in Sicherheit. Ich habe sie in einer Stadt gesehen – sie sah aus wie Inverness, war aber irgendwie anders. Sie sind die Stufen zu einem Haus hinaufgestiegen – Roger Mac war auch dabei«, fügte er unvermittelt hinzu. »Sie haben an die Tür geklopft, und eine kleine, braunhaarige Frau hat ihnen aufgemacht. Sie hat gelacht vor Freude, sie zu sehen, und hat sie ins Haus geholt. Und sie sind durch einen Flur gegangen, in dem merkwürdige Gegenstände wie Schüsseln an der Decke hingen. Dann waren sie in einem Zimmer mit Sofas und Sesseln, und eine Wand des Zimmers hat nur aus Fenstern bestanden, von unten bis oben, und die Nachmittagssonne ist ins Zimmer gefallen und hat Briannas Haar in Brand gesetzt, und die kleine Mandy hat geweint, als sie ihr in die Augen geschienen hat.«
    »Hat … hat einer von ihnen die braunhaarige Frau beim Namen genannt?«, fragte ich, und mein Herz schlug merkwürdig schnell.
    Er runzelte die Stirn, und der Mondschein zeichnete ihm ein Kreuz aus Licht auf Nase und Stirn.
    »Aye, das haben sie«, sagte er. »Ich kann nur nicht – oh, aye; Roger Mac hat sie Fiona genannt.«
    »Wirklich?«, sagte ich. Meine Hände lagen auf seiner Schulter, und mein Mund war hundertmal trockener als beim Aufwachen. Die Nacht war kühl, aber nicht so sehr, dass dies die Temperatur meiner Hände erklärt hätte.
    Ich hatte Jamie im Lauf unserer Ehejahre viele Dinge über meine eigene Zeit erzählt. Über Züge, Flugzeuge und Autos, über Kriege und fließend warmes Wasser. Aber ich war mir so gut wie sicher, dass ich ihm nie erzählt hatte, wie das Studierzimmer des Pfarrhauses aussah, in dem Roger bei seinem Adoptivvater aufgewachsen war.
    Das Zimmer mit der Fensterwand, die der Reverend hatte einbauen lassen, weil er gern malte. Das Pfarrhaus mit seinem langen Flur und den altmodischen Hängelampen, die die Form von Schüsseln hatten. Und ich wusste, dass ich ihm nie von der letzten Haushälterin des Reverends erzählt hatte, einer jungen Frau mit dunklen Locken, die Fiona hieß.
    »Waren sie glücklich?«, fragte ich schließlich leise.
    »Aye. Brianna und Roger – sie hatten Schatten im Gesicht, aber ich konnte sehen, dass sie trotzdem froh waren. Sie haben sich alle zum Essen hingesetzt – Brianna und Roger dicht beieinander, aneinander gelehnt – und Jemmy hat sich mit Kuchen und Sahne voll gestopft.« Er lächelte bei dieser Erinnerung, so dass seine Zähne kurz in der Dunkelheit aufglänzten.

    »Oh – ganz zum Schluss, kurz bevor ich aufgewacht bin … hat Jem herumgespielt und alles Mögliche angefasst und wieder hingelegt, wie er es öfter macht. Auf dem Tisch stand ein… Gegenstand. Ich konnte nicht sagen, was es war; so etwas habe ich noch nie gesehen.«
    Er hielt die Hände etwa fünfzehn Zentimeter auseinander und betrachtete sie stirnrunzelnd. »Es war ungefähr so breit und etwas länger – wie eine Art Behälter, nur irgendwie… buckelig.«
    »Buckelig?«, sagte ich und fragte mich, was das wohl sein konnte.
    »Aye, und darauf hat so etwas wie ein kleiner Knüppel gelegen, aber mit Verdickungen an beiden Enden, und der Knüppel war mit einer schwarzen Schnur an den Behälter gebunden, die geringelt war wie ein Schweineschwänzchen. Als Jem es gesehen hat, hat er die Hand ausgestreckt und gesagt: ›Ich will mit Opa sprechen.‹ Und dann bin ich aufgewacht.«
    Er legte den Kopf noch weiter zurück, so dass er in mein Gesicht sehen konnte.
    »Weißt du, was das sein könnte, Sassenach? Ich kenne so etwas nicht.«
    Der Herbstwind kam den Hügel hinuntergeweht, rasch und leicht wie Geisterschritte, und ich spürte, wie mir an den Unterarmen und im Nacken die Haare zu Berge standen.
    »Ja, das weiß ich«, sagte ich. »Ich habe dir schon davon erzählt, das weiß ich.« Ich glaubte allerdings nicht, dass ich ihm je eins beschrieben hatte, zumindest nicht genauer. Ich räusperte mich.
    »Es ist ein Telefon.«

122
    Der Wächter
    Es war November; Blumen gab es nicht. Doch die Ilexbüsche glänzten dunkelgrün, und ihre Beeren wurden jetzt reif. Vorsichtig, um mich nicht zu stechen, schnitt ich ein Sträußchen ab, fügte einen kleinen Fichtenzweig hinzu, damit es duftete, und stieg den steilen Pfad zu unserem kleinen Friedhof hinauf.
    Ich ging jede Woche dorthin, um eine Kleinigkeit auf Malvas Grab zu legen und ein Gebet zu sprechen. Sie und

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