Ein Hauch von Seele
öffnete es.
Markerschütterndes Gebrüll war die Folge. Der Poltergeist erschien, angezogen von der Erde. Es war eine Frauengestalt, stellte Jeremy etwas überrascht fest. So selten diese Kreaturen bereits waren, Frauen gab es unter ihnen so gut wie nie. Diese hier war sogar noch recht frisch, ihr Körper war vermutlich erst vor einigen Tagen dahingeschieden. Je stärker die sterblichen Hüllen verwesten, desto diffuser wirkten die zugehörigen Geister. War nur noch das Skelett übrig, konnten sie gar keine erkennbare Form mehr annehmen, viele schafften es dann nicht einmal mehr, überhaupt sichtbar zu werden und Materie zu bewegen. Bis sie schließlich ganz von selbst zur Hölle fahren konnten, weil nichts mehr sie mit der Erde verband. Poltergeister waren demzufolge stets ein Problem, das von der Zeit gelöst wurde. Es half auch, wenn man den Körper aufspürte und ihn mit Weihwasser übergoss …
„Woooo issst derrrr andereee?“, grollte der Poltergeist.
Mit aller Anstrengung schaffte er es, außer Reichweite von Jeremys geweihter Klinge zu bleiben.
„Wen meinst du?“ Verwirrt blickte er sich um, in Sorge, dass vielleicht irgendwo ein Schüler versteckt war, der es nicht bis nach draußen geschafft hatte.
„Wooo issst derrr Succubusss?“
Äh – woher wusste der Geist von seinem Partner? Ex-Partner, um genau zu sein?
„Der hat zu tun. Warum, wolltest du ihm etwas sagen?“
Aber der Poltergeist kreischte nur, dass die wenigen verbliebenen heilen Fenster zersprangen und Jeremy stöhnend in die Knie ging. Ein Glück, dass er Ohrstöpsel trug, die hätte er in seinem Ärger mit Zedrik um ein Haar vergessen. In diesem Fall hätte er sich jetzt von seinen Trommelfellen verabschieden können.
Unfähig, noch länger zu widerstehen, stürzte sich der Poltergeist auf das Kästchen. Rasch schlug Jeremy es zu, kaum dass der Geist drinnen war, legte ein Bannsiegel darauf und wollte gerade beginnen, die Ritualsprüche für den Exorzismus zu intonieren, als hektisches Piepen aus seiner Brusttasche drang – Dämonenalarm.
„Ich hasse Vollmond, immer kommt dann alles auf einmal“, knurrte Jeremy angewidert.
Mal nachsehen, wo Taznak sich aufhielt, mit ein kleines bisschen Glück konnte Jeremy ihn …
Das Kratzen von Krallen über PVC-Boden ließ ihn erstarren. Das war nicht gut, gar nicht gut. Es erhärtete den Verdacht, dass Taznak tatsächlich etwas mit dem Poltergeist zu tun hatte.
Sehr langsam drehte Jeremy sich um und stellte sich dem Dämonenfürsten, der keine fünf Schritte von ihm entfernt auf einem Trümmerhaufen zerschmetterter Sportgeräte hockte und ihn beobachtete. Ärgerlich, dass er sein Schwert außer Reichweite abgelegt hatte, doch er durfte sich keine Unsicherheit anmerken lassen.
„Möchtest du ihn wiederhaben?“, fragte Jeremy höflich und tippte mit dem Fuß gegen das Kästchen, in dem der Poltergeist randalierte, ohne ausbrechen zu können.
„Er ist unwichtig. Karl könnte diese schmutzige Seele nicht lieben.“ Taznak sprach sehr sanft, fast, als wollte er ihn nicht erschrecken. Liebe bekam Dämonen nicht allzu gut, wie es schien.
Wer zur Hölle ist Karl?
„Wo ist Zedrik?“ Da war eine Andeutung von Ärger in Taznaks Stimme.
„Der ist nicht hier.“ Jeremy vergewisserte sich, dass er Ebereschenstaub und alle wichtigen Bannsiegel bei sich trug. Die Siegel verhinderten, dass Taznak seine Gedanken durchforschen konnte und würden dem Seelenfresser sicherlich die Lust nehmen, ihn angreifen zu wollen.
„Was willst du von meinem Partner?“, fragte er zögerlich.
Taznak grollte, wandte sich ab – und verschwand durch ein Höllenportal, das er mit einer einzigen Handbewegung geöffnet hatte. Eine stinkende Wolke aus Schwefel und verbranntem Plastik blieb zurück. Jeremy wedelte hüstelnd, wobei ihm auffiel, dass er aus zahlreichen kleinen Kratzern blutete. Harrison würde ihm die Jacke flicken müssen, sie war zu praktisch, um sie einfach wegzuschmeißen.
Gelogen. David hat sie dir gekauft, deshalb behältst du sie.
Wo er gerade bei Partnern war …
Verdammt Zedrik, was will dieser hässliche widderhörnige Schuppenkopf von dir?
Hoffentlich war das nicht der Grund, warum Zedrik so dringend Geld von ihm gefordert hatte!
Jeremy schloss für einen Moment die Augen, um zur Ruhe zu kommen. Ein Schritt nach dem anderen. Er musste jetzt den Poltergeist in die Hölle verbannen, sich umziehen, und dann …
Sein Handy brummte auf Vibrationsalarm.
Ein Blick aufs Display
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