Ein Hauch von Seide - Roman
aber schließlich besaßen Männer nicht so viel Ausdauer wie Frauen. Doch sie hatte Alessandro immerhin beigebracht, wie sie es am liebsten hatte, obwohl er zuerst schockiert gewesen war über ihre direkten Anweisungen.
Es hatte keinen Sinn, ihm die Wahrheit zu sagen, die da lautete, dass sie mit einem Telegramm mit der Ankündigung, dass sie geheiratet hatten, insbesondere Alessandros Mutter keine Gelegenheit für einen dramatischen Ausbruch geben würden – anders als bei einem Telefonat.
»Telegramme sind leichter«, antwortete sie. »Und abgesehen davon ist deine Mutter womöglich nicht zu Hause, wenn wir anrufen, und dann versäumen wir noch den Zug. Warum schaust du so?« Emerald ging zu ihm und rieb ihren Körper an ihm, während sie seine Hand nahm und ihn gefühlvoll ansah.
»Meine Mutter wird außer sich sein. Ich bin ihr einziges Kind, und …«
»Und jetzt bist du ein verheirateter Mann, und wenn deine Mutter sieht, wie sehr du mich liebst, wird sie es verstehen. Meine Mutter wird es verstehen.«
In Wahrheit war es ihr egal, was ihre Mutter dachte, auch wenn sie insgeheim frohlockte bei der Aussicht, ihre Mutter mit ihrer Heirat und ihrem neuen Titel zu konfrontieren – eine weit bessere Partie und ein weit besserer Titel als der ihrer Mutter.
»Mmm.« Emerald küsste ihn flüchtig. »Mach ein fröhliches Gesicht, Schatz. Ich will nicht den ganzen Tag mit einem griesgrämigen Gemahl in einem Zugabteil eingesperrt sein. Wenn wir nach Lenchester House kommen …«
»Lenchester House? Aber ich habe eine Suite im Savoy .«
Eine Suite, zu der seine Mutter jederzeit Zugang hatte – schön und gut, solange Alessandro Junggeselle gewesen war, doch jetzt musste er Rücksicht auf seine Gemahlin nehmen. Was Emerald anging: Je eher Alessandros Mutter begriff, wie die Dinge jetzt liefen, desto besser.
»Eine Suite?«, schmollte Emerald. »Aber Schatz, Lenchester House ist mein Zuhause. Dort sind all meine liebsten Erinnerungen an meinen lieben Vater. Und abgesehen davon«, fügte sie praktisch hinzu, »sind all meine Sachen dort.«
»Aber Lenchester House gehört doch sicher Dougie?«
Emerald zügelte ihre Ungeduld und schenkte Alessandro ein reizendes trauriges Lächeln. »Jetzt schon, aber es birgt so viele glückliche und besondere Erinnerungen, Alessandro. Bitte sei so nett und verstehe, dass ich möchte, dass meine glücklichsten Erinnerungen überhaupt, die, deine Braut zu sein, auch mit diesem Haus verknüpft sind. Es ist dumm von mir, so sentimental zu sein, ich weiß …«
Emerald wusste, dass Alessandro früh gelernt hatte, wie wichtig Sentimentalität für die weibliche Psyche war, und seine Reaktion auf ihren Appell hätte nicht zufriedenstellender ausfallen können. Ein Ausdruck von Gehorsam verlieh seinem Gesicht eine recht hündchenhafte Melancholie.
»Nein, es ist überhaupt nicht dumm«, versicherte er ihr zärtlich. »Meine Mutter ist auch oft bekümmert, weil sie ein wenig sentimental wird.«
»Ich weiß einfach, dass ich mich wunderbar mit ihr verstehen werde«, sagte Emerald. »Natürlich müssen wir uns in London nach einem eigenen Haus umsehen«, fuhr sie fort, zufrieden, dass sie das erste Geplänkel gewonnen hatte. Nicht dass Alessandro ein besonders schwieriger Gegner gewesen wäre.
»Ein Haus in London? Aber ich muss in mein Land zurückkehren.«
»Ja, natürlich, aber wir werden doch nicht die ganze Zeit dort leben.« Es war viel leichter, die Dinge so zu drehen, wie man sie haben wollte, wenn man das Gewünschte als unstrittige Tatsache hinstellte. »Also suchen wir uns sinnvollerweise zuerst ein Haus in London, und dann kannst du mir dein kleines Land zeigen.«
Es klopfte an der Tür, und dann trat der Portier ein, was ihrem Gespräch ein Ende bereitete. Emerald war es gerade recht. Sie war fest entschlossen, Alessandros Mutter nicht zu erlauben, die Dinge – und damit letztendlich sie – in die Hand zu nehmen. Sie mochten sich noch nicht begegnet sein, doch Emerald war klar, dass sie und ihre Schwiegermutter im Kampf um Alessandros Loyalität auf gegnerischen Seiten standen.
19
»Du bist mit Alessandro verheiratet?«
Emerald sah gleichgültig zu, wie ihre Patentante mit ihrem Schock kämpfte.
»Ich weiß, es war sehr ungezogen von uns, nach Gretna durchzubrennen, aber du darfst Alessandro nicht die Schuld geben, Tante Beth.« Emerald warf ihrem frisch angetrauten Gemahl einen bewundernden Blick zu und nahm seine Hand. »Da die Cousine seiner Mutter
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