Ein Hauch Von Sterblichkeit
wahr? Diese Batterien werden regelmäßig vom Gesundheitsamt überprüft. Sie müssen ganz spezifische Vorschriften einhalten.«
»Ja, das ist mir bewusst. Aber diese Bilder hier müssen ja irgendwo gemacht worden sein. Wie viele Inspektoren beschäftigt die Gesundheitsbehörde? Nicht genug, jede Wette!« Sallys Augen wanderten erneut über das Flugblatt.
»Ich glaube, ich werde in Zukunft Eier von frei laufenden Hühnern kaufen. Sie kosten nur ein klein wenig mehr. Schließlich kaufe ich ja nicht so viele. Es macht kaum einen Unterschied für die monatliche Lebensmittelrechnung.«
»Tu, was du nicht lassen kannst«, giftete Liam.
»Meinetwegen kannst du Mutter Goodhusbands Aktionsgruppe beitreten! Warum eigentlich nicht? Viel scheint ja nicht mehr zu fehlen.« Sally hatte im Flugblatt gelesen. Jetzt knallte sie es auf den Tisch, so heftig, dass das Geschirr klapperte und sprang. Liam sah sie verblüfft an.
»Tu das nicht!«, wurde sie laut.
»Behandle mich nicht so herablassend! Ich mag vielleicht kein wissenschaftliches Genie sein wie du, aber ich habe ein Recht auf meine eigene Meinung und meine eigenen Gefühle – genau das gleiche Recht, das du auch hast!« Liam schwieg für einen Augenblick.
»In Ordnung«, sagte er schließlich.
»Es war nur ein dummer Scherz. Was ist denn los mit dir? Ist es der Schlag an den Kopf, den du abgekriegt hast? Vielleicht solltest du noch einmal Pringle aufsuchen.«
»Manchmal denke ich«, hörte Sally sich sagen, »dass ich vielleicht lieber einen guten Scheidungsanwalt aufsuchen sollte.« Der Appetit war ihr vergangen. Sie sprang vom Tisch auf und stürmte hinaus in den Garten. Sie hatte keinen Mantel an, und es war kalt draußen. Doch sie wollte nicht wieder hinein, jetzt noch nicht. Es ist nicht Liams Schuld, sagte sie sich, als die verbliebenen Reste Loyalität ihr Gewissen quälten. Er ist so sehr beschäftigt und hat so viele Sorgen, das macht ihn brüsk. Doch in ihrem Innern wusste sie, dass aus ihrer einstigen bewussten Bereitwilligkeit, Liams Abruptheit und egozentrische Lebensweise zu entschuldigen, längst eine kontinuierliche Suche nach Ausreden und Rechtfertigungen für ihn geworden war.
»Warum zur Hölle sollte ich damit weitermachen?«, murmelte sie laut.
»Wir alle haben Sorgen. Ich habe Sorgen. Fast wäre mir eine Bombe im Gesicht explodiert! Mir ist jeden Morgen richtig schlecht, wenn die Post kommt! Austin will …« Den letzten Gedanken schob sie beiseite. Die kühle Luft schluckte ihre Worte. Sally verschränkte die Arme vor der Brust und ging langsam den Pfad hinunter, der zur tiefsten Stelle des Gartens führte. Es war ein gut angelegter, breiter Weg, der in einer Plantage von knorrigen, schon sterbenden Apfelbäumen endete. Die Bäume trugen längst keine Äpfel mehr. Cottage-Gärten waren im Allgemeinen großzügig und gestatteten der Familie eines Arbeiters auf diese Weise, sich selbst mit Gemüse und Früchten zu versorgen und ein paar Hühner oder ein Schwein zu halten. Hier unten standen neben den verwahrlosten Bäumen verwilderte Stachelbeeren und schwarze Johannisbeeren. Sie musste etwas unternehmen, die Gartenarbeit besser organisieren. Die Bäume konnten ersetzt werden, auch die Büsche. Denk nur an den ganzen Ertrag, sinnierte sie. All die Marmeladen und Gelees, die Chutneys, die Apfeltörtchen, Obstkuchen … Doch Gärtnern brauchte Zeit, und mit all den Dingen, die sie schon am Bein hatte, dem Anbau, ihrem Job bei Bailey and Bailey – und Liam. Ihr Groll kehrte zurück.
»Nein!«, sagte sie zu den kahlen Johannisbeersträuchern.
»Ich trage meine Sorgen nicht zu anderen Leuten hinaus! Warum glaubt Liam, er könnte so etwas tun? Warum?«
»Mrs. Caswell!« Sally stieß einen leisen Schreckensschrei aus, während sie zusammenfuhr. Die Stimme kam von den Johannisbeersträuchern, als würden sie antworten. Dann erkannte Sally, dass sie aus der Hecke gleich hinter den Büschen kam, der gleichen Hecke, die die Grenze zwischen ihrem und Bodicotes Grundstück markierte. Und es war Bodicotes Stimme. Nur sehen konnte sie ihn nicht. Die Hecke zitterte. Es war Hagedorn, jetzt im Winter zwar kahl, aber nichtsdestotrotz ein undurchdringliches Gewirr aus Ästen, Zweigen und spitzen Dornen. Die Hecke wuchs zudem auf einer wenn auch niedrigen Böschung und bildete mit ihr zusammen eine Barriere von bestimmt anderthalb Metern Höhe. Wäre die Hecke in all den Jahren anständiger gepflegt worden, hätten nicht einmal Bodicotes Ziegen einen Weg
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