Ein Haus für vier Schwestern
heute Morgen etwas getan habe, was ich besser nicht getan hätte. Und das macht mir Sorgen.«
»Erzähl mal«, sagte Christina.
Elizabeth zögerte.
»Meine Tochter ist nach diesen Sommerferien mit der Uni fertig – zumindest, wenn sie sich nicht doch noch zu einem Aufbaustudium durchringt. Sie will sie mit ihren Freunden in New York verbringen.«
Sie sagte nicht »lieber als zu Hause«, das würde mitleidheischend klingen. Außerdem war das nicht der Punkt.
»Ihr Vater hatte gesagt, dass sie mit ihrem Geld auskommen müsste. Was sie natürlich nicht geschafft hat – heute Morgen hat sie mich angerufen. Ich hatte nur die Wahl, ihr entweder etwas von meinem Ersparten zu schicken und sie zu bitten, ihrem Vater nichts zu sagen, oder mich in einem riesigen Krach zwischen den beiden wiederzufinden und am Ende die Prügel abzubekommen. Ich bin sauer auf Sam, weil er nicht versteht, wie wichtig diese letzten Sommerferien für Stephanie sind. Und ich bin sauer auf Stephanie, weil sie mich in eine unmögliche Situation bringt.«
»Das hätte ich auch so gemacht«, sagte Ginger.
»Ich auch«, pflichtete Rachel ihr bei. »Es wäre nicht richtig, dass du den Prügelknaben spielst. Was sind schon ein paar hundert Dollar gegen den häuslichen Frieden?«
»Meine Güte, ich glaube das einfach nicht. Was ist bloß mich euch los?«, fragte Christina und wandte sich an Elizabeth. »Stephanie weiß ganz genau, wie sie von dir bekommt, was sie will. Und du lässt ihr das durchgehen. Ich wette, sie hat sich von ihren Freunden gratulieren lassen, sobald sie den Hörer aufgelegt hatte.«
»So ist sie nicht«, sagte Elizabeth, die die Kritik schon wieder in Wallung brachte.
»Ach, bitte! Ich weiß ganz genau, wie das funktioniert. Hundertmal habe ich dasselbe erlebt. Zum Teufel, wenn ich damit durchgekommen wäre, hätte ich ständig zu Hause angerufen.«
»Was hätte also Elizabeth deiner Meinung nach machen sollen?«, forderte Rachel sie heraus.
»Nein sagen und dazu stehen. Das hätte sie schon vor ziemlich langer Zeit machen sollen. Ich bin so ziemlich die Letzte, die ihrer Mutter etwas zugutehält, aber das hat sie wirklich ganz gut hinbekommen.«
Elizabeth musste ihr widerwillig zustimmen. Christina spielte auf eine Ahnung an, die Elizabeth bereits seit einiger Zeit hatte. Wann war aus ihrer Liebe Schwäche geworden? Wann war aus der Freude, ihren Kindern zu helfen, ein Vorwand geworden, der diese davon abhielt, sich selbst weiterzuentwickeln?
»Jetzt ist sowieso schon alles zu spät«, sagte Elizabeth.
Christina schnappte sich ein Plätzchen. »Hast du ihr etwas von Jessies Geld erzählt?«
Elizabeth schüttelte den Kopf. Zumindest das hatte sie richtig gemacht – und zwar ganz ohne Sam.
»Viel Spaß, wenn es irgendwann so weit ist«, sagte Christina.
»Ich habe die Uni gehasst«, sagte Rachel und gab ihrer Unterhaltung damit eine ganz neue Richtung. »Ich konnte es gar nicht erwarten, meinen Abschluss zu machen. Und ich weiß gar nicht, ob ich das ohne Jeff überhaupt geschafft hätte.«
»Bei mir war es genau anders herum«, warf Ginger ein. »Ich habe das Studium genossen. Jede einzelne Minute.«
Sie winkte, als Christina ihr Plätzchen anbot.
»Ich hätte nach fünf Jahren meinen Abschluss machen können, doch sehr zum Ärger meines Vaters habe ich noch ein weiteres Jahr drangehängt.« Sie dachte über das Gesagte nach. »Meines zweiten Vaters. Der die Rechnungen bezahlt hat.«
»Ich konnte es erst nicht erwarten, dorthin zu kommen. Und als ich dann da war, wollte ich so schnell wie möglich wieder weg«, sagte Christina.
»Du wolltest deine Karriere beginnen?«, fragte Elizabeth. Jetzt war es geschehen – sie hatte sich auf Christinas Niveau begeben. So viel zu ihrer hohen Meinung von sich.
»Oho, der war gut, Betty«, feuerte Christina zurück.
»Was soll das denn jetzt?«, fragte Ginger.
»Sie weiß genau, dass ich einen schlecht bezahlten Aushilfsjob habe, der mich über Wasser halten soll, bis Daddys Kohle eintrifft.«
»So hatte ich das gar nicht gemeint«, sagte Elizabeth. Zumindest nicht exakt so. Doch zugeben wollte sie das nicht.
Ginger sah von Christina zu Elizabeth und wieder zurück. »Was suchst du denn für eine Arbeit?«
»Ich bin Filmemacherin«, sagte Christina.
Ganz überraschend erweichte dieses vorsichtige Eingeständnis sofort Elizabeths verhärtetes Herz. Man trampelte nicht auf anderer Leute Träumen herum. Auch nicht, wenn man denjenigen nicht besonders gut leiden
Weitere Kostenlose Bücher