Ein Haus geteilt durch 8
nur nicht, daß man sie von der Straße aus entdecken kann.«
»Krawutschki?« fragte Werner mit einer entsprechenden Handbewegung und kniff ein Auge zu.
»Nee, nee, Herr Fröhlich, wo denken Sie hin? Oder meinen Sie, daß ich Sie auf eine krumme Tour mitgenommen hätte?«
»Na, dann können Sie Ihr Geheimnis ja auspacken.«
Er schob die Maschine ein Stück in den Wald hinein und lehnte sie, da der Boden zu schwammig war, um den Ständer zu benutzen, gegen einen Fichtenstamm.
»Also passen Sie mal auf«, sagte Holldorf, während sie zu Fuß weitergingen, »im vergangenen Jahr haben wir - ich meine Schwibus - im alten Schützenhof einen Umbau gehabt. Sie kennen das Lokal draußen am Husarenwäldchen, wie? Jedenfalls war damals einer von unseren Baggerführern verunglückt, und weil es eine Terminsache war, sprang ich für ihn ein. Jetzt ist der Schützenhof nichts weiter als eine Bierwirtschaft und Gartenkneipe, aber früher war er tatsächlich einmal ein Schützenhaus, wo die Kugelschützen Preise ausschossen.«
Er sah Werner von der Seite an.
»Na und? Was ist nun weiter?«
»Wir mußten die alten Schießstände einebnen, weil dort ein Garten angelegt werden sollte und eine Kegelbahn. Und dazu mußten die Anzeigerstände, ziemlich dicker Beton, eingerissen werden. Und wie ich da mit meinem Bagger angreife, um die Blöcke zunächst einmal freizulegen, da kam eine merkwürdige Bescherung ans Tageslicht. In den Erdwällen hinter den Anzeigerständen, wo die Schützen jahraus und jahrein hineingeballert hatten, da hob ich Tausende von Kugeln mit dem Bagger heraus. Verstehen Sie jetzt?«
»Hm... ehrlich gesagt, noch nicht ganz.«
»Mann! Nun passen Sie mal Achtung! Wenn schon bei den Schützenbrüdern, denen der Platz ein paar Jahre lang gehört hatte, die Kugeln in den Kugelfängen sozusagen zentnerweise zu finden waren, dann müssen doch auf alten Militärschießplätzen, wo ganze Generationen seit Anno Kruck geschossen haben, Kugeln in rauhen Mengen zu finden sein. Oder nicht?«
»Ja natürlich«, sagte Werner verblüfft.
»Jawoll! Und solche Kugeln haben einen Stahlmantel... aber darunter einen Kern von Blei. Und davon kostet das Kilo heute beim Altmetallhändler eine Mark. Und wenn ich nicht so ein Blödian gewesen wäre, dann hätte ich das Zeug schon damals im Schützenhof nur ein bißchen auf die Seite geschaufelt und wäre nach Feierabend mit meiner Frau und den Kindern zum Sammeln von den blauen Bohnen rausgegangen. Und das ist mir vor drei Tagen plötzlich beim Mittagessen eingefallen, als es bei uns Bohnen zu Mittag gab.«
»Und die Gegend hier heißt Kugelfang. Warum?«
»Weil es der alte, seit 1918 nicht mehr benutzte Schießplatz von den hiesigen Infanterieregimentern ist. Ich habe bei Leuten, die vor dem Ersten Weltkrieg hier gedient haben, ein bißchen nachgeforscht. Die alten Knacker sind doch froh, wenn sie von ihrer Militärzeit erzählen können. Und dabei habe ich herausbekommen, daß es hier nicht nur diesen, sondern drei solcher Schießplätze gegeben hat, einen von den Dragonern und einen von den Pionieren.«
»Gar keine blöde Idee«, gab Werner respektvoll zu.
»Sogar eine prima Idee, wenn kein anderer vorher daraufgekommen ist.«
Unwillkürlich beschleunigten sie ihr Tempo. Der Wald lichtete sich, und sie kamen zu einer völlig verwahrlosten Hütte, deren Dach eingestürzt und abgetragen war, und deren Mauersockel die Wurzeln von Birken und Sträuchern gesprengt hatten. Eine Wildnis überwucherte den Platz. Und dicht dahinter lagen vier Schießstände zwischen Wällen, auf denen Brombeeren und Ginster wuchsen. Die Böschungen waren noch gut imstand, denn der Pflanzenwuchs hatte ihre Einebnung durch Wind und Wetter verhindert. Die alten Mauern, hinter denen die Schutzgräben der Anzeigerstände lagen, waren mit dicken Moospolstern bewachsen, und in den Mauerritzen grünten kleine Tannen. Irgendwo im Wald schrie ein Eichelhäher seinen Warnruf. Es lag etwas von Verwunschenheit über den alten Wällen. Und unwillkürlich dämpfte Werner seine Stimme.
»Es sieht wahrhaftig so aus, als ob hier seit Jahren kein Mensch mehr gewesen ist.«
»Hoffentlich«, brummte Holldorf, der für Märchenstimmungen weniger empfänglich zu sein schien, und streifte den Rucksack von den Schultern.
»Und noch lieber wäre mir, es käme auch niemand, wenn ich hier an der Arbeit bin. Denn so blöd ist kein Mensch, der mich hier graben sieht, daß er glaubt, ich wolle vielleicht ein Spargelbeet
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