Ein Held unserer Zeit
erleichert."
Als der Fürst zurückkehrte, fand er weder Sohn noch Tochter. Als schlauer Tscherkesse hatte Asamat begriffen, daß es um ihn geschehen sei, wenn er dem Kasbitsch in die Hände fiele. Seit dieser Zeit war er verschwunden. Wahrscheinlich hat er sich irgend einer Bande Abreken angeschlossen und sich jenseit des Terek oder Kuban zurückgezogen; und dort wird er auch wol seinen Kopf gelassen haben ...
Indeß hatte ich in dieser unglücklichen Geschichte noch eine Pflicht zu erfüllen. Sobald ich erfuhr, daß die Tscherkessin sich in Petschorins Wohnung befand, zog ich meine volle Uniform an und begab mich zu ihm.
Ich fand ihn in dem ersten Zimmer auf einem Bett ausgestreckt, die eine Hand unter den Kopf gelegt, während die andere noch die erloschene Pfeife hielt. Ich bemerkte, daß die Thür zu dem zweiten Zimmer verschlossen war, und der Schlüssel nicht in dem Schloß steckte. Ich begriff sofort die ganze Situation ...
Bei meinem Eintritt hustete ich und stieß leicht mit den Stiefelabsätzen gegen die Diele, – er blieb noch immer unbeweglich und that, als hörte er nichts.
"Herr Lieutenant!" sagte ich in einem möglichst strengen Tone; "sehen Sie nicht, daß ich hier bin?"
"Ah, guten Tag, Maxim Maximitsch!" antwortete er, ohne seine Stellung zu verändern. "Wollen Sie eine Pfeife rauchen?"
"Um Verzeihung, nicht Maxim Maximitsch steht hier, sondern Ihr Vorgesetzter."
"Das kommt auf Eins hinaus. Wollen Sie eine Tasse Thee? Wenn Sie wüßten, was mir im Kopf herumgeht ..."
"Ich weiß Alles," versetzte ich und trat auf das Bett zu.
"Um so besser; denn ich bin gar nicht dazu aufgelegt, Ihnen die Geschichte zu erzählen."
"Herr Lieutenant, Sie haben einen Fehler begangen, für den ich die Verantwortung trage ..."
"Ach, gehen Sie doch! Ist auch ein rechtes Unglück! Gehen wir nicht längst bei allem Hand in Hand?"
"Wozu diese Scherze? Uebergeben Sie mir gefälligst Ihren Degen!"
"Mitka, meinen Degen!"
Mitka brachte den Degen.
Nachdem ich so meiner Pflicht genügt hatte, setzte ich mich zu Petschorin ans Bett und sagte: "Gestehen Sie's nur, Petschorin, das ist nicht schön."
"Was ist nicht schön?"
"Ei, daß Sie Bela entführt haben ... Und dieser verfluchte Asamat! ... Nun, gestehen Sie's nur," wiederholte ich.
"Aber, wenn sie mir gefällt?"
Ja, was sollte ich auf einen solchen Grund antworten? ... Ich war ganz bestürzt. Indeß erklärte ich ihm nach einigem Schweigen, daß, wenn der Fürst seine Tochter zurückfordere, dieselbe wieder ausgeliefert werden müsse.
"Ist gar nicht nöthig!"
"Aber, wenn er erfährt, daß sie hier ist?"
"Wie sollte er das erfahren?"
Ich war zum zweiten Mal aus dem Felde geschlagen.
"Hören Sie, Maxim Maximitsch," sprach Petschorin, indem er sich ein wenig aufrichtete; "Sie sind ein braver Mensch ... wenn wir diesem Wilden seine Tochter zurückgeben – was geschieht dann? Er wird sie entweder tödten oder verkaufen. Die Sache ist geschehen; wir dürfen sie nicht leichten Herzens verschlimmern. Behalten Sie meinen Degen und lassen Sie mir Bela ..."
"Es sei. Aber kann ich sie nicht wenigstens sehen?" fragte ich.
"Sie ist in dem anstoßenden Zimmer; aber selbst ich habe mich bis jetzt vergeblich bemüht, mich ihr zu nähern. Da sitzt sie in einem Winkel, eingehüllt in ihren Schleier; stumm, unbeweglich, scheu wie ein Gemse. Ich habe eine Frau zu ihr kommen lassen, die Tatarisch kann; ich habe sie beauftragt, für Bela zu sorgen und sie nach und nach an den Gedanken zu gewöhnen, daß sie von nun an mir gehöre, – denn sie soll keinem andern Menschen angehören als einzig und allein mir," setzte er, mit der Faust auf den Tisch schlagend, hinzu.
Ich gab endlich nach ... Was sollte ich machen? Es gibt Menschen, denen man unbedingt immer nachgeben muß.
"Und hat sich Bela in der That endlich an ihn gewöhnt," fragte ich Maxim Maximitsch; "oder ist sie in der Gefangenschaft aus Schmerz und Heimweh gestorben?"
"Aber ich bitte Sie, warum hätte sie sich einem solchen Schmerz und Heimweh hingeben sollen? Vom Fort aus konnte sie ihre Berge eben so gut sehen, wie mitten in ihrem Aul, – und das genügt diesen Wilden. Und zudem machte ihr Petschorin täglich das eine oder andere Geschenk. Während der ersten Tage wies sie mit verächtlichem, stolzem Schweigen diese Geschenke zurück, welche nun ihrer Gesellschafterin gegeben wurden, was
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