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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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entführt in der Hoffnung, du würdest, wenn du mich kennen gelernt, meine Liebe erwiedern. Ich habe mich getäuscht. Lebe wohl! Alles, was hier ist, bleibt dein, und du kannst, sobald du willst, zu deinem Vater zurückkehren, – du bist frei. Ich bin ein Verbrecher in deinen Augen und muß mich bestrafen. Lebe wohl, ich gehe fort – wohin, das weiß ich nicht! Vielleicht habe ich bald das Glück, daß mich eine Kugel ereilt oder die Schaschka mich trifft; dann denk' an mich und verzeihe mir."
     
    Damit wandte er sich ab und reichte ihr zum Abschiede die Hand. Sie nahm die Hand nicht an und bewahrte Schweigen. Ich beobachtete sie durch die halbgeöffnete Thür; und mir wurde ganz beklommen zu Muthe – eine solche tödtliche Blässe bedeckte ihr schönes Antlitz!
     
    Da er keine Antwort erhielt, that er einige Schritt nach der Thür zu; er zitterte, – und ich glaube, in diesem Augenblick war er fähig, den Plan wirklich auszuführen, den er ursprünglich nur zum Scherz ersonnen hatte. Ein so eigenthümlicher Mensch war er! Aber kaum hatte er die Thür berührt, als sie aufsprang und sich schluchzend in seine Arme warf.
     
    "Können Sie mir's glauben, ich mußte ebenfalls weinen – das heißt, wissen Sie, wenn ich sage weinen – – kurz – eine Kinderei!"
     
    Der Hauptmann verstummte einen Augenblick.
     
    "Ja, ich muß gestehen," fuhr er dann fort und zupfte sich den Schnurrbart, "ich bedauerte, daß mich niemals ein Weib so geliebt hatte."
     
    "Und war ihr Glück von langer Dauer?" fragte ich.
     
    "Ja. Bela gestand uns, daß sie seit dem Tage, wo sie Petschorin im Hause ihres Vaters gesehen, oft von ihm geträumt und daß nie ein Mann einen so heftigen Eindruck auf sie gemacht habe. Ja, sie waren glücklich."
     
    "Welche Enttäuschung!" rief ich unwillkürlich aus. "In der That, ich hatte eine tragische Lösung erwartet – und da bin ich ganz unversehens in meiner Hoffnung getäuscht worden! ..."
     
    "Aber," fuhr ich dann laut fort, "erfuhr ihr Vater denn nie, daß sich seine Tochter bei Ihnen im Fort befand?"
     
    "Es scheint, daß er einen solchen Verdacht hatte, aber er hatte nicht Zeit, sich Gewißheit zu verschaffen; denn wenige Tage später erfuhren wir, daß er getödtet worden sei. Und zwar in folgender Weise ..."
     
    Mein Interesse war von Neuem erregt.
     
    "Ich glaube, Kasbitsch hatte den alten Fürsten im Verdacht, Asamat habe ihm mit seiner Einwilligung das Pferd gestohlen; wenigstens erkläre ich mir die Sache so. Eines Tages erwartete er ihn drei Werst vom Aul, um seine Rache auszuführen. Der Greis kehrte von einem seiner vergeblichen Streifzüge zurück, die er unternommen, um seine Tochter wiederzufinden. Es war in der ersten Dämmerung; seine Begleiter waren ein wenig hinter ihm zurückgeblieben; traurig und in Gedanken verloren ritt er im Schritt des Weges daher, als plötzlich Kasbitsch wie eine Katze aus dem Gebüsch hervorstürzt, hinter den Fürsten auf das Pferd springt, ihm einen Dolchstoß versetzt, ihn zur Erde stürzt und auf seinem Pferde entflieht. Einige Eingeborene, die von einem Hügel aus Alles gesehen, verfolgen ihn, aber es war nicht möglich, ihn einzuholen."
     
    "So entschädigte und rächte er sich für den Verlust seines Pferdes," sagte ich zu meinem Begleiter, um ihn anzuspornen, seine Erzählung fortzusetzen.
     
    "Allerdings befand er sich vollständig im Rechte, wenn man die Sache von ihrem Gesichtspunkte betrachtet," sprach der Hauptmann.
     
    Diese Antwort frappirte mich unwillkürlich. Ich mußte an die Fähigkeit des Russen denken, sich die Sitten und Gewohnheiten derjenigen Völker anzueignen, unter welchen er zufällig lebt. Ich weiß nicht, ob diese Eigenthümlichkeit Lob oder Tadel verdient – aber beweist sie nicht eine merkwürdige Schmiegsamkeit des Charakters und eine klare, gerechte Würdigung der Dinge, welche ihn das Böse überall da entschuldigen läßt, wo es weder vermieden, noch ausgerottet werden kann?
     
    Mittlerweile hatten wir unsern Thee ausgetrunken. Unsere Pferde waren längst angespannt und zitterten im Schnee. Der Mond verblaßte im Westen und war bereits im Begriff, in den schwarzen Wolken zu verschwinden, die über den fernen Bergkämmen hingen wie die Fetzen eines zerrissenen Vorhanges. Wir verließen unsere Hütte. Trotz der Prophezeiung meines Reisegefährten klärte das Wetter sich auf und versprach uns einen schönen Morgen. Die am fernen Horizont in verschiedenen Gruppen schimmernden Sterne erloschen einer nach dem

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