Ein Held unserer Zeit
deren Beredtsamkeit nicht wenig erhöhte. Ach, die Geschenke! Was vermag ein bunter Lappen nicht über das Herz einer Frau! ... Doch lassen wir diesen Punkt bei Seite.. Lange mußte Petschorin kämpfen, um Bela's Widerstand zu besiegen, – so lange, daß er inzwischen Tatarisch und sie Russisch lernen konnte. Nach und nach gewöhnte sie sich daran, ihn zu sehen. Sie begann ihn verstohlen, ganz schüchtern anzublicken; aber sie blieb immer traurig; wenn sie mit leiser Stimme irgend ein nationales Lied sang, geschah das in so melancholischer Weise, daß mir ganz eigenthümlich zu Muthe wurde."
"Eines Tages war ich Zeuge eines Auftritts, den ich nie vergessen werde. Ich kam zufällig an ihrem Fenster vorüber. Dasselbe war offen; ich blieb stehen und blickte hinein. Bela saß auf einem Schemel, das Haupt auf die Brust gesenkt; Petschorin stand vor ihr."
"Höre, meine Peri; da du früher oder später doch einmal die Meine werden mußt – warum willst du mich da so quälen? Liebst du vielleicht einen Tscherkessen? In dem Fall gebe ich dir augenblicklich die Freiheit."
Sie fuhr kaum merklich zusammen und schüttelte den Kopf.
"Oder," fuhr er fort, "hast du vielleicht eine unüberwindliche Abneigung gegen mich?"
Sie seufzte.
"Oder verbietet dir etwa deine Religion, mich zu lieben?"
Sie erblaßte und bewahrte Schweigen.
"Glaube mir, Allah ist der gemeinsame Gott für alle menschlichen Wesen, und wenn er mir erlaubt, dich so feurig zu lieben, warum sollte er dir verbieten, mir deine Gegenliebe zu schenken?"
Da schaute sie ihm, wie betroffen von diesem neuen Gedanken, unverwandt ins Gesicht; und in ihren Augen stand es zu lesen: sie schwankte zwischen dem Zweifel und dem Verlangen, besiegt zu werden. Welche Augen! Sie funkelten wie glühende Kohlen.
"Ich bitte dich, meine theure, süße Bela," fuhr Petschorin fort; "du siehst, wie ich dich liebe. Ich bin bereit, Alles zu thun, was du verlangst, um dir deine Heiterkeit wiederzugeben. Ich will, daß du glücklich seist, und wenn du dich abermals deiner Traurigkeit hingibst, es wird mein Tod sein! Sage mir, willst du von jetzt an heiterer sein?"
Sie fuhr fort, ihn anzusehen mit ihren schwarzen Augen, träumerisch, stumm; aber dann irrte ein freundliches Lächeln über ihre Lippen und eine Bewegung ihres Hauptes deutete an, daß sie einwilligte.
Da ergriff er ihre Hand und bat sie um einen Kuß. Sie sträubte sich schwach, indem sie sagte: "Nein, nein, das ist nicht nöthig."
Er fuhr fort, in sie zu dringen, – da begann sie zu zittern und brach in Thränen aus:
"Ich bin deine Gefangene, deine Sklavin," sprach sie; "du kannst natürlich mit mir machen was du willst," – und von neuem flossen ihre Thränen.
Da schlug sich Petschorin heftig vor die Stirn und stürzte in das andere Zimmer.
Ich ging zu ihm. Er schritt, die Arme über die Brust gekreuzt, mit großen Schritten im Zimmer auf und ab.
"Aber, mein Lieber," sagte ich zu ihm, "was bedeutet denn das?"
"Das ist kein Weib, sondern ein Dämon," antwortete er. "Aber ich gebe Ihnen mein Wort, sie wird die Meine werden ..."
Ich schüttelte den Kopf.
"Jawol," versetzte er; "und zwar, ehe acht Tage verflossen sind. Wollen Sie darauf eine Wette mit mir eingehen, ja, – ja?"
Ich reichte ihm die Hand und entfernte mich.
Am folgenden Tage schickte er einen Boten nach Kislar, um sich eine Menge kostbarer Gegenstände holen zu lassen. Es waren persische Stoffe, der eine schöner und kostbarer als der andere.
"Was halten Sie davon, Maxim Maximitsch," sprach Petschorin zu mir, indem er diese Geschenke vor mir ausbreitete; "glauben Sie, daß eine asiatische Schönheit einer solchen Batterie widerstehen könne?"
"Sie kennen die Tscherkessinnen nicht," antwortete ich ihm. "Sie sind ganz anders als die Georgierinnen und die Tatarenfrauen jenseit des Kaukasus, – ganz anders! Sie haben ihre eigenen Grundsätze und sind anders erzogen."
Petschorin lächelte und begann einen Marsch zu pfeifen.
Aber der Erfolg bewies, daß ich Recht gehabt: die Geschenke machten nur einen schwachen Eindruck. Sie zeigte sich vertrauensvoller, weniger wild – das war aber auch Alles.
Petschorin beschloß, ein letztes Mittel zu ergreifen.
Eines Morgens ließ er sein Pferd satteln, kleidete sich nach Tscherkessenart, nahm seine Waffen und begab sich zu ihr.
"Bela," sagte er, "du weißt, wie ich dich liebe. Ich habe dich
Weitere Kostenlose Bücher