Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
Vom Netzwerk:
Aufmerksamkeit.
     
    "Habe ich es Ihnen nicht gesagt," sprach er, "daß wir heut Sturmwetter bekommen würden? Wir müssen uns beeilen, wenn es uns nicht auf dem Krestowoy überraschen soll. Vorwärts!" rief er den Führern zu; "sputet euch!"
     
    Die Räder wurden gespeicht, nicht mit Hemmschuhen, sondern mit Ketten; die Kutscher nahmen die Pferde bei den Zügeln und das Herabsteigen begann. Zur Rechten war der Weg von einer steilen Felswand eingefaßt; zur Linken befand sich ein so tiefer Abgrund, daß ein ganzes Ossetendorf unten in einer Seitenschlucht sich ausnahm wie ein Schwalbennest. Ich schauderte bei dem Gedanken, daß diesen Weg, auf welchem keine zwei Wagen neben einander fahren können, der Regierungscourier oft in der finstersten Nacht passiren muß, ohne auch nur von seinem gebrechlichen Gefährt herunterzusteigen.
     
    Der eine unserer Kutscher war ein russischer Bauer aus der Gegend von Jaroslaff; der andere ein Ossete. Dieser Letztere hatte die Vorderpferde abgespannt und führte die Gabelpferde mit der größten Vorsicht am Zügel, – unser sorglose Russe dagegen hatte nicht einmal seinen Sitz verlassen! Als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß ein wenig mehr Eifer und Vorsicht nichts schaden könnte, und wär's auch nur wegen meines Koffers, welchen in diesem Abgrunde aufzusuchen ich durchaus keine Lust verspüre, da antwortete er mir:
     
    "Beunruhigen Sie sich nicht, Herr! Mit Gottes Hilfe werden wir ebenfalls ankommen; wir sind ja nicht die Ersten, welche diesen Weg befahren."
     
    Er hatte Recht; mit Gottes Hilfe kamen wir an. Aber wir hätten auch nicht ankommen können ... Und wenn die Menschen nur darüber nachdenken wollten, so würden sie erkennen, daß das Leben nicht so viel werth ist, um sich wegen seiner Erhaltung so viel Mühe zu machen ... Aber vielleicht wünscht der Leser das Ende von Bela's Geschichte zu erfahren? – Da muß ich ihn zunächst darauf aufmerksam machen, daß ich nicht eine Novelle, sondern Reisebilder schreibe, und daß ich folglich die Erzählung des Hauptmanns nicht eher fortsetzen kann, als bis es ihm selbst beliebt, sie fortzusetzen. Geduldigt Euch daher noch ein wenig, oder wenn Ihr das nicht könnt, überschlagt einige Seiten; doch möchte ich Euch nicht dazu rathen, denn der Weg über den Krestowoy oder den Mont St. Christophe, wie ihn der gelehrte Gamba nennt, ist wirklich Eurer Beachtung würdig.
     
    Von dem Gut-Gora sind wir in das Teufelsthal hinabgelangt ... Welch ein romantischer Name! Stellt Ihr Euch bei diesem Namen nicht sofort einen Schlupfwinkel des höllischen Geistes vor, der von schrecklichen, unzugänglichen Felsen umgeben ist? Aber nichts von alledem. Der Name Tschertowaja Dolina (Teufelsthal) kommt nicht von Tschert (Teufel), sondern von Tscherta (Linie), denn hier befindet sich die Grenzlinie von Georgien.
     
    Dieses mit Schnee angefüllte Thal erinnerte mich ziemlich lebhaft an Saratoff, Tamboff und andere "schöne" Gegenden unseres Vaterlandes.
     
    "Da ist der Krestowoy!" rief mir, als wir in das Teufelsthal gelangt waren, der Hauptmann zu, indem er auf einen schneebedeckten Hügel zeigte, auf welchem ein schwarzes steinernes Kreuz stand.
     
    Um diesen Hügel zieht sich ein Weg, den man kaum bemerkt, und der nur dann benutzt wird, wenn die gewöhnliche Straße durch Schneemassen versperrt ist.
     
    Unsere Kutscher erklärten, daß noch keine Lawinen gefallen seien; und um unsere Pferde zu schonen, schlugen wir die Straße ein, welche in Folge vieler Zickzackbewegungen weniger steil war.
     
    In einiger Entfernung begegneten uns fünf Osseten, die uns ihre Dienste anboten, und welche, indem sie sich an die Räder legten, unter Geschrei unsere Wagen bald zurückzuhalten, bald vorwärtszuschieben begannen.
     
    Die Straße war hier wirklich gefahrvoll: Rechts hingen über unseren Köpfen ungeheuere Schneemassen, im Begriff, wie es schien, bei dem geringsten Windstoß herab in den Abgrund zu rollen; der schmale Weg selbst war mit einem Schnee bedeckt, in welchen wir hier bis an die Knie einsanken, und der sich an anderen Stellen in Folge der Sonnenstrahlen und des nächtlichen Frostes in Glatteis verwandelt hatte, so daß wir nur mit der größten Mühe vorwärts kamen.
     
    Unsere Pferde strauchelten und fielen jeden Augenblick. Zu unserer Linken that sich eine tiefe Schlucht auf, durch welche ein Waldstrom stürzte, der sich bald unter einer Eisdecke versteckte, bald über finstere Felsblöcke hinschoß.
     
    Nach zwei Stunden waren

Weitere Kostenlose Bücher