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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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Mädchen, diese Bela. Ich war bald so weit, daß ich sie liebte wie meine Tochter, und auch sie hegte eine große Zuneigung zu mir. Ich muß Ihnen hier bemerken, daß ich keine Familie habe; von meinem Vater und meiner Mutter habe ich schon seit zwölf Jahren keine Nachricht, und mir das Herz einer Frau zu gewinnen, daran habe ich nicht früh genug gedacht, – und jetzt, wissen Sie, kann bei mir vom Heirathen nicht mehr die Rede sein; eben darum war es mir so angenehm, daß ich Jemand gefunden, den ich verhätscheln konnte.
     
    Sie sang uns bald die Lieder ihres Volkes vor, bald tanzte sie die Leszinka ... Ha, und wie sie tanzte! Ich habe unsere Stutzer vom Lande gesehen, ich bin auch einmal zu Moskau – vor nun bereits zwanzig Jahren – auf einem großen Adelsball gewesen. Aber welch ein Unterschied! Wie Tag und Nacht!
     
    Petschorin zierte und schmückte sie wie eine Puppe und sie wurde mit jedem Tage schöner, – ja, wunderbar schön wurde sie! Das Braun ihres Gesichts und ihrer Hände verlor sich, und ein lebhaftes Roth färbte ihre Wangen ... Und dabei war sie so heiter, trieb so manchen Possen mit mir ... Das arme Kind, Gott verzeih' ihr."
     
    "Aber was geschah, als sie von dem Tode ihres Vaters hörte?"
     
    "Wir verheimlichten ihr denselben lange Zeit, damit sie sich erst an ihre neue Lage gewöhne; als wir ihr denselben dann mittheilten, weinte sie zwei Tage um den Vater und vergaß ihn dann."
     
    Vier Monate ging Alles herrlich. Ich glaube, ich habe Ihnen schon gesagt, daß Petschorin ein leidenschaftlicher Jäger war. Unter andern Umständen hätte er alle Wälder abgestreift, um einen Eber oder ein Reh aufzutreiben, – aber jetzt ging er über die Wälle des Forts gar nicht mehr hinaus. Allein eines Tages bemerkte ich, daß er wieder traurig und melancholisch wurde; er schritt wieder, die Hände auf dem Rücken gekreuzt, in seinem Zimmer auf und nieder, und dann kehrte er plötzlich eines Tages, ohne Jemand etwas zu sagen, in den Wald zurück und blieb fast den ganzen Morgen abwesend. Das wiederholte sich von Zeit zu Zeit, und zwar immer öfter ...
     
    Das ist ein böses Zeichen, dachte ich bei mir; da hat sich ohne Zweifel eine schwarze Wolke zwischen ihnen erhoben.
     
    Eines Morgens begebe ich mich in ihre Wohnung – mir ist, als wär's gestern gewesen. Bela saß auf ihrem Bett, angethan mit ihrem schwarzseidenen Beschmet, und so bleich und so traurig, daß ich ganz erschreckt wurde.
     
    "Wo ist denn Petschorin?" fragte ich.
     
    "Auf der Jagd."
     
    "Ist er heut' fortgegangen?"
     
    Sie schwieg, als wäre es ihr zu peinlich, mir die Ursache ihres Kummers mitzutheilen.
     
    "Nein," sprach sie endlich mit einem tiefen Seufzer, "er ist schon seit gestern Abend fort."
     
    "Sollte ihm denn ein Unfall begegnet sein?"
     
    "Gestern Abend," fuhr sie unter Thränen fort, "stellte ich mir die traurigsten Dinge vor. Bald sah ich ihn von einem wilden Eber zerrissen, bald von einem Tschetschenzen als Gefangenen in die Berge geschleppt ... Und heute quält mich der Gedanke, er liebe mich nicht mehr."
     
    "In der That, mein liebes Kind, das wäre von Allem, was du dir denken kannst, das Schlimmste!"
     
    Sie begann von neuem zu weinen; dann erhob sie stolz das Haupt, trocknete ihre Thränen und fuhr fort:
     
    "Wenn er mich nicht mehr liebt, was hindert ihn dann, mich in meinen Aul zurückzuschicken? Ich will ihm nicht im Wege stehen. Wenn das so fortgeht, entferne ich mich von selbst. Ich bin nicht seine Sklavin – ich bin eine Fürstentochter!"
     
    Ich versuchte, ihr Vernunft einzureden und sagte daher zu ihr:
     
    "Aber bedenke doch, liebe Bela, daß er nicht ewig hier bei dir bleiben kann, als wäre er an deine Kleider genäht. Er ist jung; die Jagd macht ihm Vergnügen; und geht er, so geschieht's, um wiederzukommen; aber wenn du dich so betrübst, wirst du ihn bald langweilen."
     
    "Das ist wahr, das ist wahr!" antwortete sie; "ich will heiter sein!"
     
    Und lachend ergriff sie ihr Tamburin und begann zu singen, zu tanzen und um mich herumzuspringen. Aber dieser Freudenausdruck war nicht von langer Dauer; sie fiel auf ihr Bett zurück und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
     
    Ich wußte nicht, was ich mit ihr anfangen sollte. Ich hab's überhaupt nie verstanden, mit den Weibern umzugehen. Ich sann hin und her und suchte ein Mittel, sie zu trösten; aber nichts wollte mir in den Sinn kommen. Eine Zeit lang saßen wir schweigend bei einander ... Eine höchst unangenehme, fast lächerliche

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