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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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so hypermodern, wie ich erwartet hatte: Kochinsel mit Marmorplatte, darüber reihenweise schimmernde Töpfe und Pfannen. Elise war mit einer Rührschüssel zugange und blickte auf.
    »Troy«, sagte sie mit französischem R. »Ihr Zimmer ist schön, ja?« Es ist das Zäpfchen hinten im Hals, das den Franzosen das trillernde R ermöglicht. Für uns Englischsprechende hängt es nur nutzlos dort herum.
    »Oh ja, es ist toll«, sagte ich rasch. »Wunderbar.«
    »Möchten Sie etwas? Einen Imbiss, etwas zu trinken?« Sie legte den Löffel weg.
    »Nein, nein, alles bestens. Ich wollte nur – Pauls Vater hat gesagt, ich soll mich umsehen.«
    »Ein sehr schönes Haus. Es wird ein gutes Zuhause für Paul.« Mit der nächsten Frage erwischte sie mich auf dem falschen |111| Fuß. »Wo Paul war, wo er gefangen war, war das sehr schlimm?«
    Es schnürte mir die Kehle zu. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Dumond ihr über Pauls Gefangenschaft erzählt hatte und was sie wissen durfte. Ich setzte mich auf einen Hocker, bevor ich antwortete. »Ich weiß es nicht. Ich meine   … er hat mir nur wenig erzählt, aber   … es war wohl nicht sehr schön.«
    Sie ließ den Teig auf die Arbeitsplatte fallen. »Paul wird hier glücklich sein. Er wird die schlimmen Dinge vergessen.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ja, vermutlich würde Paul hier glücklich werden, aber vergessen würde er die schlimmen Dinge nicht. Ich sah Tränen in ihren Augen glitzern und begriff, dass sie es nur zu genau wusste. »Ja«, sagte ich sanft. »Er wird hier glücklich sein.«
    Sie begann den Teig zu kneten. »Paul mag Sie.«
    »Ich war der erste Mensch, dem er begegnet ist«, sagte ich achselzuckend. »Ich glaube, er hätte jeden gemocht.«
    »Nein, Sie mag er besonders. Er hat mir erzählt, dass Sie ihn gerettet haben.« Ihre Stimme brach. Ich musste blinzeln, meine Kehle war eng. Sie blickte von dem Teig auf, den sie mit den Fäusten bearbeitete, und ihr Blick sagte:
Wir stehen auf derselben Seite.
Ich hatte das Kind gerettet, das sie liebte.
    Ich stand auf. Plötzlich wollte ich zu Paul und seinem Vater. »Ich gehe mal die Männer suchen.«
    »Ich glaube, sie sind oben in Monsieur Dumonds Zimmer.« Sie deutete auf die Wendeltreppe, die ich gestern gesehen hatte.
    Am Fuß der Treppe rief ich: »Hallo?«
    »Troy!«, meldete sich Paul. »
Viens! Jouons à l’ordinateur.
«
    Meine Turnschuhe quietschten auf den Metallstufen. Als ich oben ankam, sah ich die beiden in einem Zimmer sitzen, das von einem großen Schlafraum abging. Er war ähnlich wie mein Gästezimmer eingerichtet, aber mit dunklerer Bettwäsche und einem düsteren Seestück an der Wand. Dann trat ich in ein Büro, dessen Schreibtisch das halbe Zimmer einnahm. |112| Paul spielte an einem Computer mit riesigem Flachbildschirm Tetris.
    »Sieh mal, Troy«, rief er auf Französisch und hüpfte auf seinem Stuhl. »Mein Lieblingsspiel!«
    Dumond, der neben ihm saß, schaute mich an. »Ja, das hat Paul schon immer gern gespielt.« Ich sah zu, wie er die bunten Klötze umhermanövrierte, die immer schneller herunterfielen. Er schaute konzentriert auf den Bildschirm, die Finger auf der Tastatur. Wenn man schnell genug ist, kann man die Blöcke zu einer ordentlichen Mauer auftürmen. Ein falscher Zug, und die Mauer bekommt Löcher, die man niemals füllen kann.
    Ein diskretes Piepsen erklang aus Dumonds Tasche. Er nahm sein Handy heraus und warf einen Blick darauf. Dann entschuldigte er sich und verließ das Zimmer.
    Als ich mich wieder Paul zuwandte, bemerkte ich ein kleines, silbergerahmtes Foto auf dem langen Schreibtisch. Es zeigte Madeleine, die einen kleineren Paul lachend in die Kamera hielt; auch sie lachte und hielt mit einer Hand ihr honigblondes Haar fest, das im Wind flatterte. Plötzlich wurde mir übel. Ich kam mir vor wie ein Eindringling, hier in diesem Zimmer, mit der Familie dieser Frau.
    Dann kam Dumond zurück. »Ich muss einige geschäftliche Anrufe erledigen«, sagte er entschuldigend, worauf ich mich rasch erhob. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht – Paul würde sich sicher freuen, wenn Sie ihm mit seinem Zimmer helfen könnten.«
    »Natürlich. Paul, Schätzchen, lass uns auspacken.« Sein Blick war fest auf den Bildschirm und die herabfallenden Klötze gerichtet, doch sobald er meine Worte hörte, schaltete er das Spiel aus und kam mit. Ich fragte mich, ob er immer so gehorsam gewesen war oder ob sich ein entführtes Kind einfach so verhält – ein bisschen zu sehr darauf

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