Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
Vom Netzwerk:
Bibliothek und setzte mich aufs Sofa. Dann kniete er sich neben den Kamin, öffnete den Schieber und entzündete das Holz. Er schloss den Funkenschutz, nahm eine Wolldecke vom Sofa und setzte sich ganz selbstverständlich neben mich. Wir legten die Beine hoch, und er breitete die Decke über uns. |184| Mein Herz schlug wie verrückt. Er streichelte mir den Rücken, kurze, tröstende Bewegungen, und ich konnte mich allmählich entspannen. Er küsste mich einmal auf den Kopf, und dann lagen wir ganz still da, fünf Minuten, zehn Minuten. Keiner von uns sagte etwas. Seine Hand bewegte sich langsamer. Dann wurde sein Atem tiefer, und er rührte sich nicht mehr. Er war eingeschlafen. Ich wollte wach bleiben, um die Wärme seines Körpers zu genießen, das Geräusch seines Atems. Am Morgen würden wir uns verhalten, als wäre das nie geschehen. Aber ich konnte die Augen nicht offen halten und glitt in einen traumlosen Schlaf.

|185| 29
    Paul weckte uns. Er knuffte uns kichernd, weil er uns schlafend in der Bibliothek gefunden hatte. »
Pourquoi dormez-vous dans la bibliothèque?
«
    Philippe reagierte rasch, zog die Arme unter der Decke hervor und streckte sie nach seinem Sohn aus. »Weil«, er zog ihn zu sich aufs Sofa und kitzelte ihn, »weil wir sooo früh aufgewacht sind, dass es noch kalt war. Da haben wir uns ein schönes Feuer angezündet.«
    Ich reckte mich, war ganz steif, weil ich die ganze Nacht in derselben Position geschlafen hatte. »Und weil das Feuer uns müde gemacht hat, sind wir wieder eingeschlafen«, fügte ich hinzu.
    »Zeit zum Anziehen, Kleiner.« Philippe klemmte sich den kichernden Paul unter den Arm und trug ihn durch den Flur.
    Ich ging in mein Zimmer zurück. Zum Glück hatte Paul uns gefunden und nicht Elise. Ich zog mir Laufsachen an, rief Tiger und sagte Elise auf dem Weg nach draußen, dass ich später frühstücken würde. Mir war, als schaute sie mich komisch an, aber das war vielleicht nur mein schlechtes Gewissen.
    Während meine Füße rhythmisch auf das Pflaster hämmerten, gingen mir die Bilder der letzten Woche durch den Kopf. Ich in Philippes Armen. Madeleines E-Mails , die den Bildschirm überfluteten. Jameson, der mich vor Philippe warnte. Die Sorge, die ich bei Simon bemerkt hatte, als er mich mit Philippe und Paul zusammen erlebte. Der Blick, den Elise mir soeben zugeworfen hatte.
    |186| Natürlich bewegte ich mich auf gefährlichem Terrain. Natürlich müsste ich abreisen, bevor mir jemand das Herz brach, entweder Paul oder Philippe.
    Oder versuchte mich Philippe einzuwickeln, mich von irgendetwas abzulenken?
    Als ich zurückkam, trocknete ich mir den Schweiß ab, zog mir Sweatshirt und Shorts an und setzte mich auf meinen Platz, kurz bevor die anderen mit dem Essen fertig waren.
    Philippe blickte lächelnd hoch, wobei ihm eine widerspenstige Haarsträhne in die Stirn fiel. Er hatte beim Rasieren ein kleines Fleckchen am Kinn übersehen. Ohne Mühe konnte ich mir seine Wange an meiner vorstellen, seinen Atem an meinem Hals, seine Finger in meinem Haar.
    Aber so stand es nicht im Drehbuch. Ich war die vorübergehende Ersatzmutter seines Sohnes, und er hatte letzte Nacht in meinen Armen Trost gesucht. Ich wusste, welcher Typ Frau Philippe gefiel – elegant, modisch, anspruchsvoll. Wie Madeleine. Zwischen uns war ein Funke übergesprungen, der aus verschiedenen Gründen nicht weiterbrennen durfte. Der wichtigste Grund saß mit zerzausten Haaren bei uns am Frühstückstisch und aß ein Würstchen.
    »Du bist aber früh gelaufen«, stellte Paul fest.
    »Ja, das bin ich.« Ich tätschelte meinen Bauch. »Ich habe bei Elise so viele leckere Sachen zu essen bekommen, dass ich mich vor dem Frühstück ein bisschen bewegen musste.«
    Aus irgendeinem Grund fand Paul das sehr komisch – zugegeben, manchmal erschließt sich mir der Humor sechsjähriger Jungs nicht so ganz.
    Philippe lächelte, und in diesem Moment konnte ich die hässlichen Tatsachen vergessen – Entführung, Mord und dass die Kidnapper noch nicht gefasst waren. Ich konnte vergessen, dass dies nicht mein Leben war und ich nur zu bald mit dem schmerzhaften Prozess beginnen musste, mich wieder davon zu lösen.
    Paul war glücklich. Im Augenblick zählte nur das.
     
    |187| Philippe fuhr zur Arbeit, und ich ließ Paul mit seiner Autorennbahn spielen und ging nach dem Duschen zu ihm. Überall lagen Haufen alter Kleidung, und ich schlug vor, die Sachen wegzupacken, die eindeutig zu klein geworden waren. Zu meiner

Weitere Kostenlose Bücher