Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
Vom Netzwerk:
wurde, bis die Ermittlungen abgeschlossen waren. Ich wollte es auch gar nicht wissen. Nach reiflicher Überlegung entschied Philippe, dass Paul dabei sein sollte, und wir |244| kauften ihm einen kleinen Anzug. Elise und Claude fuhren mit zum Gottesdienst, ich blieb zu Hause. Ich hoffte, dass Jameson Gina verständigt hatte, damit wenigstens eine persönliche Freundin zugegen war.
    Der Tag, den ich allein in Ottawa verbrachte, zog sich in die Länge. Ich fuhr mit dem Rad. Ich arbeitete. Ich putzte mein Fahrrad. Ich ging eine Stunde mit Tiger spazieren. Ich schrieb eine E-Mail an Baker. Ich dachte nach. Und dann rief ich Thomas an. Es war eine kurze, schmerzliche Unterhaltung. Ich sagte ihm, dass ich keine Zukunft für uns beide sähe. Er bedankte sich für meinen Anruf, und das war alles. Nachdem ich eingehängt hatte, weinte ich schon wieder.

|245| 37
    Ich kann manchmal ganz schön blöd sein.
    Ich wusste, dass Philippe mich mochte. Ich wusste, er hatte mich an den beiden Abenden, an denen wir zusammen ausgegangen waren, attraktiv gefunden. Aber ich hatte es für eine Sympathie gehalten, wie man sie einer Cousine oder Schwester entgegenbringt oder einem Menschen, mit dem man die Zuneigung zu einem Kind teilt. Bis auf die eine Nacht auf dem Sofa hatten wir wochenlang zusammengelebt, und es war nicht mehr passiert als zwischen mir und Zach oder einem anderen Mitbewohner. Ich hatte meine Gefühle für ihn unterdrückt, weil ich sie als unpassend empfand und außerdem schon vor langer Zeit erlebt hatte, wie weh es tut, jemanden zu begehren, den man nicht haben kann. Doch irgendwann hatte sich etwas zwischen uns verändert, und ich war zu dumm gewesen, um es zu erkennen. Mir war nicht bewusst gewesen, dass der Fund der Leiche Philippe in gewisser Weise befreit hatte. Allerdings hatte ich bemerkt, dass er seinen Ehering nicht mehr trug.
    Wir saßen nach dem Abendessen wie üblich in der Bibliothek, während Paul schlief und Elise sich zurückgezogen hatte. Philippe zeigte mir gerade ein altes Foto in einem Buch über Montreal. Ich beugte mich vor und kam ihm dabei ziemlich nahe, aber unsere platonische Beziehung dauerte schon so lange, dass ich mir nichts dabei dachte. Plötzlich wandte er mir das Gesicht zu und berührte meine Wange mit der Hand. Sie brannte wie Feuer. Dann spürte ich seine Lippen auf meinen |246| und hatte Empfindungen, von denen ich bisher nur geträumt hatte. Noch nie war ich so geküsst worden.
    Irgendwann mussten wir Luft holen, und er begann zu sprechen.
    »Troy, wir müssen miteinander reden. Es gibt Dinge, die ich dir erzählen muss, über Madeleine.«
    Ich schüttelte instinktiv den Kopf. Wochenlang hatte ich mir gewünscht, mehr über sie zu erfahren, aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt. Sie war tot, Vergangenheit, Schluss, aus. Ich wollte, dass sie und alles, was mit ihr zu tun hatte, begraben wurde. »Ich will es nicht wissen«, sagte ich mit belegter Stimme.
    »Ich muss es dir aber sagen. Du musst es erfahren.«
    Ich hätte ihn gern daran gehindert. Dabei hatte ich geglaubt, Wahrheit und Offenheit seien mir wichtig – was für eine Heuchlerin. »Na schön«, sagte ich und rückte ein Stück von ihm weg. Dann erzählte er mir alles.
    Das meiste hatte ich geahnt, nachdem ich die E-Mails gelesen und mit Gina gesprochen hatte. Hinzu kamen die Daten von Pauls Geburt und ihrer Hochzeit und das, was Elise gesagt und verschwiegen hatte – vor allem aber das Verhalten von Paul und Philippe. Sicher, die Menschen gehen unterschiedlich mit Verlusten um, aber wer würde nicht wenigstens gelegentlich sagen:
Mama hat immer   …
oder
Als Madeleine und ich
…?
    Anscheinend hatte Madeleine ihn ganz bewusst ausgewählt, auch wenn er es nicht ausdrücklich sagte. Vielleicht war es ihm damals nicht klar gewesen. Sie hatten sich auf einer Party kennengelernt – sie war eine strahlende, charmante Frau   –, und am Ende des Abends waren sie ein Paar. Drei Monate später wurde sie schwanger, ein Versehen, wie er dachte (
klar doch
). Also heirateten sie, und alles lief gut, bis Paul geboren wurde. Madeleine interessierte sich nicht für das Baby. Zuerst glaubte Philippe an eine postnatale Depression, doch ihre Haltung änderte sich nicht, also kümmerte Elise sich fortan um Paul. |247| Madeleine hatte zunächst die Frau des erfolgreichen Geschäftsmanns gespielt, Partys gegeben und karitative Veranstaltungen geleitet, in den letzten Jahren aber immer unzufriedener gewirkt. Sie verbrachte viel Zeit

Weitere Kostenlose Bücher