Ein Herzschlag bis zum Tod
aufzuklären, bei dem ein Opfer gerettet worden und das andere tot war?
Baker versuchte nicht, es mir auszureden. Sie wusste, dass ich nicht anders konnte.
Philippe und ich schickten uns täglich Mails und telefonierten miteinander. Paul erzählte von seinem Welpen und der Schule und sprach Englisch, solange er nicht zu aufgeregt war. Philippe hatte in mehreren Firmendateien Abweichungen von früheren Versionen gefunden und Spezialisten mit einer Prüfung beauftragt. Die Computer-Sicherheitsmaßnahmen wurden verbessert.
|258| Es hatte keine Zwischenfälle mehr gegeben. Derjenige, der mich überfahren wollte und in der Schule angerufen hatte, war von der Bildfläche verschwunden. Es schien eine einmalige Sache gewesen zu sein, um mich abzuschrecken. Was es in gewisser Weise auch getan hatte.
Ich erzählte Philippe nicht, dass ich nach Burlington fahren würde. Simon auch nicht.
Zu meiner Überraschung erhielt ich Unterstützung von Thomas. Wir hatten seit meiner Rückkehr aus Ottawa nicht mehr miteinander gesprochen, doch eines Abends rief er an und fragte, wie es mir gehe. Als ich ihm erzählte, dass ich nach Burlington kommen wollte, bot er mir an, bei ihm zu wohnen.
»Tommy –«, setzte ich an.
»Das ist schon in Ordnung«, unterbrach er mich. Es kam mir seltsam vor, bei ihm zu übernachten, nachdem wir uns getrennt hatten. Andererseits wäre es einfacher und billiger, und ich könnte Tiger mitnehmen. Wir würden uns in Ruhe unterhalten, und wenn es gar nicht klappte, würde ich Tiger bei ihm lassen und mir ein billiges Zimmer mieten.
Ich fuhr am Mittwochnachmittag hin. Die strahlende Sonne und die frische Luft passten so gar nicht zu meinen Gedanken an Entführung und Mord. Ich fuhr nach Süden und über die Brücke, weil die Autofähre zu teuer war, über dreißig Dollar hin und zurück. Ich versuchte, nicht an die Unwägbarkeiten zu denken:
Was wäre gewesen, wenn ich im Mai nicht das Theaterstück hätte rezensieren müssen?
Dann hätte ich das ganze Wochenende in Burlington verbracht und wäre mit dem Auto gefahren, statt die Fähre zu nehmen. Und Paul wäre ertrunken.
Die Fahrt war fast zu kurz, und bald stand ich vor Thomas’ Wohnung. Er musste mein Auto gehört haben, denn er kam heraus und wurde von Tiger begeistert begrüßt. Er streichelte sie zerstreut, bevor er meine Taschen aus dem Subaru holte.
Ich unternahm den halbherzigen Versuch, ihn davon abzuhalten. Andererseits war ich müde und wollte auf der Straße |259| keine Diskussion anfangen. Also ließ ich ihn die Taschen tragen und folgte ihm ins Haus.
»Du kannst im Arbeitszimmer schlafen.« Er stieß die Tür mit dem Fuß auf. »Ich habe dir den Futon hingelegt.« Thomas bewohnte die vordere Hälfte eines geräumigen älteren Hauses, das wie viele Gebäude nahe der Universität in Wohnungen aufgeteilt worden war. Er hatte den schönsten Teil mit der großen Veranda vor der Tür. Ich verstaute meine Taschen in einer Ecke des Arbeitszimmers, wo das Futon-Sofa schon zum Bett ausgeklappt war. Dann ließ ich mich im Wohnzimmer in einen Sessel fallen.
»Möchtest du Tee?« Ich nickte und wollte aufstehen. »Nein, nein, ich mache ihn.« Er verschwand, gefolgt von meinem Hund.
Es tat gut, einfach so dazusitzen, und ich schloss die Augen. Ich fühlte mich ausgelaugt. Ein paar Minuten später tauchte Thomas mit einer dampfenden Teekanne, zwei Tassen und einem Teller auf, auf dem er Käse, Kräcker und Apfelspalten angeordnet hatte. »Ich dachte, du hast vielleicht Hunger.«
Ich hatte gar nicht ans Essen gedacht, trank aber den Tee und aß fast alles auf. Thomas schaltete den Fernseher ein, weil der zweite Teil einer Jane-Austen-Verfilmung lief. Ich hatte Mühe, den britischen Akzent der Schauspieler zu verstehen.
Dann merkte ich, dass Thomas mich ansprach. »Troy. Troy!« Ich machte die Augen auf. »Du bist eingeschlafen. Ich war schon mit Tiger draußen. Geh doch ins Bett.«
Es war erst zehn nach neun, aber ich protestierte nicht. Heute würde es keine Aussprache mehr geben. Ich kroch zwischen die Decken, die frisch und neu rochen, und schlief tief und zum ersten Mal seit langer Zeit auch traumlos.
Ich erwachte ganz benommen, und es fiel mir schwer, mich aus dem Bett zu schleppen. In der Wohnung war es still. Thomas war zur Arbeit gefahren und hatte einen Zettel und einen |260| Schlüssel auf dem Küchentisch hinterlassen. Ich aß Müsli und stellte die Schachtel genau so ins Regal, wie ich sie vorgefunden hatte, da Thomas großen
Weitere Kostenlose Bücher