Ein Highlander zu Weihnachten
ließ dabei die ebenholzschwarzen Wellen, die nach Mann, Holz und Moschus rochen, über seine Schultern und ihr Gesicht tanzen.
»Der Weg nach draußen?«
Claire wies mit zitternder Hand nach rechts. »Da, zwei Treppen hinunter.«
Er ging mit großen Schritten zur Tür und ließ sie hinter sich herstolpern. Sie warf den Riegel zurück – wenn er doch nur möglichst schnell verschwinden würde – und er riss die Tür auf.
Ohne den Griff um ihr Handgelenk zu lockern, spähte er auf den Treppenabsatz hinaus, lauschte einen Augenblick und brummte scheinbar zufrieden. Dann zog er sie wieder an seine Brust und presste sie mit den Händen von den Hüften bis zur Brust an sich. Ein Schluchzer schüttelte sie, als seine Rechte ihr
Kinn leicht anhob.
»Verzeihung, Mädchen.«
Irgendetwas in seinem Gesichtsausdruck, der weiche Zug um seinen Mund und das Glitzern in seinen Augen, erweckte in ihr den Eindruck, er könnte es damit ernst meinen.
Sie nickte. Die Kehle war ihr zu eng zum Sprechen, und er grinste und ließ noch einmal seine außergewöhnlichen Grübchen sehen. Etwas in ihrem Inneren erzitterte aus unerklärlichen Gründen bei diesem Anblick. Bevor sie ergründen konnte, warum er gelächelt hatte, legten sich seine Lippen auf die ihren. Erschrocken holte sie Luft, und er nutzte diesen Vorteil, drang forschend in sie und ergriff von ihr Besitz. Seine festen Lippen wurden sehr bald sanfter. Es erschütterte sie bis ins Mark und ließ ihre Knie schwach werden.
Wie es geschah, dass sie sich an ihn lehnte, dass ihre Hände auf seiner breiten Brust zu liegen kamen, hätte sie selbst nicht sagen können. Aber sie wusste, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie so geküsst worden war.
Er grinste, stupste ihre Nasenspitze sachte mit dem Zeigefinger an und trat über die Schwelle, blieb jedoch gleich wieder stehen und blickte sie über die Schulter an. »Es dauert mich sehr, dich zu küssen und von dir zu gehen, Mädchen, aber …«
Dauern? Von was redete er?
Und dann war er weg, genauso lautlos, wie er gekommen war.
Ihr zitterten die Knie und die Beine. Claire presste die Finger auf ihre immer noch brennenden Lippen und stolperte hinaus auf den Flur.
Was war das gewesen?
Sie beugte sich über das Geländer und erhaschte einen kurzen Blick auf den Kilt, als der Mann geräuschlos treppab huschte. Sie war von einem namenlosen Einbrecher geküsst worden. Und es hatte ihr gefallen! Sie hatte eindeutig den Verstand verloren.
Großer Gott, er hatte Tavishs Schätze mitgenommen, die Gegenstände, die zu bewahren ihr aufgetragen worden war!
Sie verfluchte ihre Dummheit, rannte zurück in ihre Wohnung, nahm ihr Handy vom Couchtisch und wählte den Notruf.
»Notrufzentrale. Wo befinden Sie sich?«
»Dartmouth …« Claire räusperte sich. »210 Dartmouth Street, zweite Etage. Hier ist ein Mann eingebrochen und hat ein Schwert …«
O nein – die Außentür war immer noch verriegelt und sie hatte den einzigen Schlüssel. Hier oben.
»Hallo?« fragte eine näselnde Stimme. »Ihren Namen, bitte?«
Claire schnappte sich den Schlüssel vom Tisch und rannte zur Treppe. Sie hoffte inständig, dass der Eindringling den Ausgang über die Laderampe gesehen hatte, der lediglich mit einem Stahlriegel gesichert war. »Claire MacGregor«, sagte sie der Notrufzentrale.
»Sind Sie in Gefahr?«
Keuchend erreichte Claire den Absatz im ersten Stock. »Jetzt nicht, er ist weg, aber er hat die Schwerter und die Brosche genommen.«
»Schwerter!?«
»Ja! Machen Sie schnell!«
Claire stolperte in den Lagerraum, erkannte, dass der Ausgang zur Laderampe immer noch fest verschlossen war, und rief: »Warten Sie!«
Das Geräusch von zerberstendem Glas hallte durch das Erdgeschoss. Gleich darauf ertönte das Geheul ihrer Alarmanlage.
Sie vergaß den Notruf völlig und rannte in den Velvet Pumpkin.
Ihre schönen Glastüren waren schon wieder hin.
»Verdammt! Oh, verdammt!«
* * *
Wo in Dreiteufelsnamen bin ich nur? In Camerons Kopf und Magen drehte sich alles, genauso wie damals, als er als Kind in einem gestohlenen Bierfass über einen Bach gefahren war. Er presste sich in einem Hauseingang an die Wand und sah ungläubig zu, wie eine riesige Kutsche ohne Pferde, aber mit glühenden Laternen und einem Pflug davor auf breiten, mit Ketten bespannten Rädern vorbeirumpelte.
Die Häuser, an denen er vorübergelaufen war, ähnelten denen in Edinburgh sehr, dicht gedrängt und vielgeschossig, aber er war hier nicht in Edinburgh. Dessen
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