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Ein Hippie-Traum

Ein Hippie-Traum

Titel: Ein Hippie-Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Young
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paar Videokameras hielten den Augenblick fest. Leute redeten frisch von der Leber weg oder lasen von einem kleinen Zettel ab. Leute weinten und lachten und beglichen offene Rechnungen. Viele beglichen offene Rechnungen. Bei manchen hatte sich viel angestaut, und eine bessere Chance konnten sie gar nicht kriegen.
    Einige dieser Künstler waren schon jahrelang nicht mehr aktiv gewesen oder hatten überhaupt nur einen kurzen Moment im Scheinwerferlicht gehabt und ganz gewiss im Musikbetrieb kein Vermögen verdient. Aber alle hatten sie Soul. Natürlich hatten einige auch viel Geld verdient, aber was für die Hall zählte, war die Musik, der Rock   ’n’   Roll als Lebensweise. Phil Spector, Mike Love von den Beach Boys und etliche andere haben lange Reden gehalten über Dinge, die sie unbedingt loswerden mussten, und sie hatten das Recht dazu und nutzten dieses Recht. Es war faszinierend, ihre Sicht des Lebens zu erfahren: wo sie gut oder schlechtbehandelt worden waren, wen sie für ihre Probleme verantwortlich machten und wem sie für ihre Siege auf dem Weg zur Hall dankten. Es war eine Ehre, sie zu ihren Kollegen sprechen zu hören, zu den anderen, die ihnen nacheiferten, und zu denen, die es ihrer Meinung nach noch weiter gebracht hatten als sie.
    Meine Favoriten sprachen frei. Manche weinten. Manche lachten. Manche bedankten sich. Manche geißelten diejenigen, die sie um Tantiemen und eine Alterssicherung betrogen hatten. Rock   ’n’   Roll ist kein Kaffeekränzchen. Er war und ist ein hartes und mitleidloses Geschäft, in dem es sich rächt, wenn man sich in jungen Jahren die falsche Vertretung ausgesucht hat. Gerade in den Anfangstagen, so groß sie waren, wurden viele Fehler gemacht, und hier bot sich nun die Chance, Tacheles zu reden, und das taten die Aufgenommenen auch und machten sich ihren neuen Status als mächtige Mitglieder der heiligen Rock Hall zunutze.
    Dann passierte das Schlimmste, was passieren konnte.
    Die Gründer beschlossen, aus der Zeremonie der Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame eine Fernsehshow zu machen! Beim Sender VH 1! Was könnte WENIGER rockig sein als VH 1? Ein heiliger Akt jenseits aller Kategorien war zu einer VH 1-Sendung degradiert worden. Schluss mit den langen Reden. Die neue TV -Redezeit waren drei Minuten. Vorbei die weitschweifigen Tiraden. Jetzt gab es Teleprompter. Ich machte in meiner Rede viele unflätige Bemerkungen und schimpfte viel über alle Beteiligten, aber letztlich ist es mir doch lieber, sie hier nicht namentlich zu nennen. Sie mögen wissen, dass sie gemeint sind, oder auch nicht. Menschen machen Fehler. Sie merken es wahrscheinlich nicht mal.
    Es erinnerte mich an den Grammy, den Frank Sinatra eines Jahres in New York für sein Lebenswerk erhielt. Ein zu der Zeit erfolgreicher Künstler kam auf die Bühne und hielt eine sehr langatmige Laudatio, und dann kam Frank. Er hatte kaum angefangen zu sprechen, da war seine Zeit schon um. Die Band begann zu spielen, und der Laudator kam wieder und führte ihn von der Bühne. Sinatra hatte eindeutig nicht alles gesagt, was er sagen wollte. Ich hätteihn liebend gern fertiggehört, aber es war keine Zeit mehr. Frank blickte konsterniert und enttäuscht, als er davongeleitet wurde. Er hatte gerade loslegen wollen und konnte es nicht fassen, dass man ihm das Wort abgeschnitten hatte. So ist Fernsehen. Eine weitschweifige Einführung, die viel länger war als Franks abgeschnittene Rede, hatte zur Folge, dass einer der größten Legenden in der ganzen Musikgeschichte keine Zeit gelassen wurde. So ist das Leben. Ich war stinksauer. Aber manchmal ist es besser, nicht gleich auf jemand loszugehen. Ich hebe mir den Zorn und die Aufregung lieber für mein Gitarrenspiel auf. Eine Crazy-Horse-Tournee steht vor der Tür. Dafür kann ich Treibstoff brauchen. Ich will hier niemand in Grund und Boden verdammen und den Rest meiner Tage damit leben müssen. Ich glaube, das wäre keine sehr gute Idee.
    Häufig im Leben passieren Sachen, die man nicht fassen kann. Man flucht im Stillen vor sich hin, und es bringt einem gar nichts. Das Leben ist zu kurz dafür. Es renkt sich alles wieder ein. Wirklich. Mir fällt da ein schwachsinniger Plattenboss ein, der einmal kam, um mich zu hören, und dann zu Hause in Hollywood seiner Plattenfirma erzählte, die Sachen wären noch nicht veröffentlichungsreif. Auf den war ich wirklich wütend. Wer hatte ihn um seine Meinung gefragt? Ich hatte vorher nie so gearbeitet und werde es auch

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