Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
einen Ring trug.
Estella ging nach Hause und machte sich ein Sardinensandwich. Sie hatte es abgelehnt, im Krankenhaus zu frühstücken, denn sie wollte fort sein, wenn Betty und die Putzfrau Conny erschienen. Dan hatte ihr versprochen, ihre Papiere an einem sicheren Ort zu verwahren. Zwar vertraute er Betty voll und ganz, doch auch er war der Meinung, je weniger Leute von ihrer Schwangerschaft und den verfrühten Wehen erfuhren, umso besser. Und jederzeit konnte jemand ungesehen das Krankenhaus betreten. Die Formalitäten wurden hier im Busch bei weitem nicht so streng gehalten wie an zivilisierteren Orten. Oft fand Dan in seinem Büro Patienten vor, die auf ihn warteten oder gerade am Funkgerät Anrufe entgegennahmen, und manche kümmerten sich sogar um andere, die kleinerer Verletzungen wegen im Wartezimmer saßen. Hätte Estellas Akte auf seinem Schreibtisch gelegen, hätte Dan nicht dafür garantieren können, dass niemand einen Blick hineinwarf.
Estella fühlte sich noch immer müde und erschöpft vomdurchlebten Schrecken, doch sie wollte Stargazer in ihren Stall bringen, wo sie sich in Ruhe mit ihm beschäftigen konnte. Sie hatte gerade ihr Sandwich gegessen und wollte gehen, als Mai und Binnie hereinkamen. Mai fiel sofort auf, wie schlecht Estella aussah.
»Du nicht schlafen?«, fragte sie.
»Ich hatte eine ziemlich schlechte Nacht.« Estella dachte an den Dingo und überlegte, wo er wohl sein mochte. »Mai, sind Dingos gefährlich? Würden sie uns angreifen, wie Wölfe?«
Mai bedachte sie mit einem seltsamen Blick. »Ich nicht weiß, was Wölfe tun, aber Dingos nicht Menschen fressen, vielleicht nur sehr kleine Kinder ...«
Estella dachte an Binnie, die oft am Lagerfeuer zurückblieb, während Mai betrunken umherlief, und Zorn stieg in ihr auf. Sie blickte auf den Ledergürtel an Mais Taille, an dem ein Beutel befestigt war. Mai hatte ihn seit Tagen nicht abgenommen und trug noch immer Estellas Kleid, das in seinem gegenwärtigen Zustand allerdings nicht mehr zu erkennen war. »Was ist in dem Beutel, Mai?« Estella nahm an, dass ein Jagdmesser oder einige Werkzeuge darin waren, die sie im Busch benutzte.
Mai blickte auf den Beutel hinunter. »Das mein Totem. Schutz vor Dingogeist.«
Estella starrte sie verwundert an, doch Mai schien es völlig ernst zu meinen. »Etwas von Ross. Von seinem Geist.«
Sofort musste Estella an das Tagebuch denken. Zum ersten Mal fiel ihr die verdächtige Form des Beutels auf. »Ist es ein Buch? Das, in dem Ross seine Gedanken aufgeschrieben hat?«
Mai legte besitzergreifend eine Hand auf den Beutel. »Ja. Starkes Totem.«
»Kann ich es mal sehen?«
Mai starrte sie erschrocken an. »Nein. Totem verliert Macht über Dingogeist!«
* * *
Das Hausmädchen hatte das Klopfen an der Tür von Davinias Haus am Eaton Square nicht gehört, deshalb öffnete James selbst – und sah sich seinen Schwiegereltern gegenüber. Caroline und Marcus standen auf der Schwelle, beide mit sehr kühlen Mienen. Ihr Besuch kam nicht gänzlich unerwartet, doch er war unwillkommen.
»Oh, ihr seid es. Guten Morgen«, sagte James, weil ihm nichts Besseres einfiel.
»Von einem guten Morgen kann keine Rede sein«, stieß Caroline wütend hervor und eilte an ihrem Schwiegersohn vorüber, ohne dass er sie ins Haus gebeten hatte. »Das ist kein Höflichkeitsbesuch, James. Wir sind aus Rhodesien gekommen und mussten feststellen, dass du unserer Tochter das Herz gebrochen hast und dann noch darauf herumgetrampelt bist. Wir verlangen eine Erklärung!«
Marcus seufzte. Caroline hatte immer schon einen Hang zum Theatralischen besessen. Beinahe war er versucht, ihr zu sagen, dass ihr Auftritt zu früh kam – doch er wollte nicht, dass sie völlig hysterisch wurde. Deshalb folgte er seiner Frau ohne ein Wort in den Salon. Er war ein Gentleman und ein Mann von Charakter, doch er wurde weich, sobald Caroline auch nur mit einem ihrer juwelengeschmückten Finger schnippte.
James schloss die vordere Haustür und ging dann ebenfalls zum Salon. Bevor er sich zu seinen Schwiegereltern gesellte, warf er einen besorgten Blick die Treppe hinauf. Davinia war noch immer bettlägerig, und er hoffte, dass sie nicht gestört wurde. Sie brauchte dringend Ruhe. Da sie Medikamente und eine Elektroschockbehandlung abgelehnt hatte und auch nicht im St.-Bernhards-Krankenhaus bleiben wollte, konnte der Arzt ihr nichts anderes gegen ihre melancholische Stimmung empfehlen, als im Bett zu bleiben.
Henrietta kam aus der Küche
Weitere Kostenlose Bücher