Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
nachdenklich musterte. Dann nickte er und verließ den Raum.
»Was haben Sie vor?«, fragte Estella.
»Würden Sie ein Heilmittel der Aborigines nehmen, Missus? Es kann sein, dass es nicht funktioniert, aber die Aborigines benutzen es schon seit tausenden von Jahren, und manchmal hilft es den Frauen.«
»Wird es die Wehen beenden?«
Kylie hörte die Mischung aus Verzweiflung und Hoffnung in Estellas Stimme und beschloss, ehrlich zu sein. »Vielleicht, Missus.«
Wieder jagte eine Woge des Schmerzes durch Estellas Leib, und sie schloss die Augen. Ihr war klar, dass sie ihr Kind verlieren würde, wenn nicht irgendetwas geschah. »Hol es, Kylie«, flüsterte sie.
»Gut, Missus. Ich bin in ein paar Minuten zurück. Etwas von dem, was ich für das Mittel brauche, habe ich hier, aber ich muss noch frische Eukalyptusrinde holen und einen Tee machen!« Kylie eilte aus dem Krankenzimmer, bevor Estella weitere Fragen stellen konnte.
Dan kam wieder herein. »Atmen Sie tief ein und aus,Estella«, sagte er und nahm ihre Hand. Er fühlte ihre Angst und Verzweiflung, und es brach ihm fast das Herz.
Nach drei langen Atemzügen ließ der Schmerz langsam nach. »Warum ... sind Sie vorhin hinausgegangen?«, fragte Estella, als sie wieder sprechen konnte.
Er seufzte. »Als Arzt kann ich die Heilmittel der Aborigines nicht gutheißen oder anwenden, obwohl sie oft zu helfen scheinen. Außerdem darf Kylie mir nichts über das Mittel sagen, das sie Ihnen geben will. Manche Rezepturen der Aborigines sind geheim, und diese Geheimnisse werden von den Frauen streng gehütet.«
»Aber es ist doch nicht gefährlich, was Kylie mir geben will?«
»Das kann ich nicht sagen, aber ich bin sicher, dass Kylie Ihnen nichts Schädliches verabreichen würde. Ich vertraue ihr. Ich habe bei den Aborigines schon die erstaunlichsten Heilungen erlebt, Estella, und ich bin sicher, dass Sie bei Kylie in guten Händen sind.«
»Die Wehen haben aufgehört«, erklärte Dr. Dan mehrere Stunden später, als er Estellas Leib untersuchte. »Haben Sie noch Schmerzen?«
Estella sah ihm seine Erleichterung an, doch das war nichts gegen ihre eigenen Gefühle.
»Nein.«
Kylie war gerade schlafen gegangen, nachdem sie die ganze Nacht über an Estellas Seite gewacht hatte. Ihr »Medikament« hatte aus den Blättern und der Rinde von vier verschiedenen Bäumen und Sträuchern bestanden und schrecklich geschmeckt. Estella hatte sich nach der Einnahme seltsam gefühlt, und Kylie war bei ihr geblieben. Sie hatte ihr Geschichten aus der Traumzeit der Aborigines erzählt: von Geistern, heiligen Orten und den Sitten und Riten der Ahnen. Estella konnte ihr gar nicht genug für das Mittel danken, das ihr Kindgerettet hatte, zugleich aber war sie von einer bangen Frage erfüllt, die sie Dan schließlich stellte.
»Ist etwas nicht in Ordnung mit dem Baby?«
Er sah sie lange an. »Ich würde Sie ja gern beruhigen, Estella, aber das kann ich nicht. Ich kann nur so viel sagen: Wäre das Kind missgebildet, hätte kein Mittel der Welt eine Fehlgeburt verhindern können.«
Verzweifelt klammerte sich Estella an diese Hoffnung. »Aber was kann die Wehen ausgelöst haben?«
»Das kann Ihnen kein Arzt mit Gewissheit sagen, aber es gibt Faktoren, die sicher eine Rolle spielen: Innere Unruhe ist eine der Hauptursachen für verfrühte Wehen oder Fehlgeburten.«
Estella musste daran denken, wie niedergeschlagen sie sich gefühlt hatte, als sie den Brief an ihre Mutter schrieb.
»Falsche oder mangelhafte Ernährung kann ein weiterer Grund sein. Sie müssen jeden Tag Kalzium, Magnesium und Eisen zu sich nehmen und sich so viel wie möglich ausruhen.«
Estella fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Wäre sie glücklich verheiratet und hätte jemanden, der sich um sie sorgte, hätte sie ruhen und ihrem Kind alles geben können, was es brauchte. Doch so musste sie arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
»Warum haben Sie mir nicht schon bei Ihrer Ankunft gesagt, dass Sie schwanger sind?«, wollte Dan wissen. »Dann hätte ich Ihnen bereits ein paar gute Ratschläge geben können.«
Estella seufzte. »Ich wollte nicht, dass jemand von meiner Schwangerschaft erfährt. Die Besitzer der stations akzeptieren mich schon deshalb nicht, weil ich jung bin ... und obendrein eine Frau. Stellen Sie sich die Reaktionen der Farmer vor, wenn sie erfahren, dass ich ein Kind erwarte!«
Dan wirkte sehr nachdenklich. »Haben Sie wirklich vor, hier zu bleiben und Ihr Kind allein
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