Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
weiten, großzügigen Landschaft erfüllt. Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühle ich mich, soweit das ohne meine Estella möglich ist, zufrieden und ausgefüllt.
9. September 1949: Heute hat meine Frau mir eine kleine Tochter geschenkt. Es ist sehr schwer, meine Freude und meinen Stolz über dieses wunderhübsche kleine Geschöpf in Worte zu fassen, doch ihre Geburt hat auch ein wenig Trauer in mir aufkeimen lassen. Wenn ich sie in den Armen halte, erinnert sie mich an die Tochter, die ich nie halten durfte, und mein Glück ist überschattet von Kummer und Bedauern.
25. Dezember 1949: Heute habe ich mit meiner Frau und meinem Kind die weihnachtliche Freude erlebt. Allerdings war es eine bitter-süße Freude, denn Weihnachten bedeutet Mai nichts, weil die Aborigines glauben, dass jeder Tag ein Festtag ist. Doch dass ich Binnie verwöhnen durfte, war eine kleine Entschädigung für all die Weihnachtsfeste mit Estella, die ich verpasst habe.
Aus den folgenden Einträgen klang deutlich die Freude, die Ross an Binnie hatte. Estella musste lächeln, wenn er über ihre kleinen Triumphe und Niederlagen berichtete. Auch spürte man deutlich, dass er seiner Frau in tiefer und treuer Zuneigung verbunden war. Und obwohl sie schon damals oft auf Wanderschaft gegangen war und Binnie mitgenommen hatte, fand sich kein Wort darüber, dass sie jemals betrunken gewesen wäre.
Nachdem sie das Tagebuch durchgelesen hatte, ging Estella in Ross’ Zimmer, legte das Buch weg und sah nach Binnie. Eswar fast Mitternacht, und die Kleine schien friedlich zu schlafen. Estella schaute in der Dunkelheit auf sie hinab, und plötzlich fühlte sie sich ihrem Vater näher als je zuvor. Ross würde in ihr und Binnie weiterleben, und das Kind war für sie ein Bindeglied zu ihrem Vater. Estella tat es sehr Leid, dass sie nun wohl seine Arbeit nicht würde weiterführen können, denn es wäre ihr eine Ehre gewesen, sein Werk fortzusetzen.
Plötzlich sehnte sie sich nach frischer Luft. Als sie die Hintertür öffnete, sah sie Dan auf den Stufen davor sitzen. »Was tust du hier so spät in der Nacht?«, fragte Estella verblüfft.
»Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht.«
»Dann hast du also gehört ...«
»Dass du Ross Coopers Tochter bist? Ja, das habe ich.«
Estella fragte sich kurz, ob jemand es Murphy gesagt hatte. »Es tut mir Leid, dass ich es dir nicht selbst gesagt habe, Dan. Ich wollte es heute tun, fand aber keine Gelegenheit ...«
»Wir haben alle unsere Geheimnisse, Estella.« Dan wandte den Blick ab.
»Die anderen verstehen gar nichts. Sie konnten nur meiner Mutter nicht verzeihen, dass sie meinen Vater verlassen hat ...«
Dan sah sie wieder an. »Ich bin sicher, sie hatte ihre Gründe, aber dich trifft an alledem keine Schuld. Für mich ist es nicht wichtig, wer deine Eltern sind. Du bist du, und du bist ein besonderer Mensch.«
Estella lächelte ihn an. »Vielen Dank, Dan. Aber jetzt gehst du am besten und legst dich hin – du hast letzte Nacht kaum geschlafen und musst sehr müde sein.«
Dan fand es typisch für Estella: Sie machte sich Gedanken um ihn, nicht etwa um sich selbst! »Bist du sicher, dass ich nicht bleiben soll?«
»Es geht mir gut. Ich habe die letzten Stunden damit verbracht, das Tagebuch meines Vaters zu lesen. Jetzt kommt es mir so vor, als ob ich ihn kenne – und weißt du was?« IhreStimme klang rau vor innerer Bewegung. »Ich habe ihn sehr gern.« Endlich kamen die Tränen. Dan breitete die Arme aus, und Estella schmiegte sich dankbar an ihn.
»Ich habe ihn auch gemocht«, flüsterte er.
Nach einer ganzen Weile löste Estella sich von Dan und wischte sich die Tränen ab. »Das hatte ich wirklich nötig«, sagte sie. »Danke.«
»Hab ich gern getan«, erwiderte Dan, der sich schon lange danach gesehnt hatte, sie zu umarmen. »Charlie wird froh sein, dass es dir gut geht. Er hat vor Sorge um dich fast den Verstand verloren.« Er erwähnte nicht, dass Murphy außer sich gewesen war und er ihn hatte ins Bett zurückschicken müssen.
»Er fühlt sich schuldig, aber das braucht er nicht.« Plötzlich hatte Estella das überwältigende Bedürfnis, etwas zu Ende zu bringen, das sie begonnen hatte. »Mir liegt noch etwas auf der Seele, Dan ...«
»Und was?«
»Ich muss unbedingt nach Yattalunga, um Ralph Talbots Hund zu behandeln.«
Dan blickte sie verwundert an.
»Kannst du mich dorthin fliegen?«
»Ich?«
»Ja.«
»Ich ... es überrascht mich, dass du es mir
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