Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
mitgenommen, als Ross starb. Ich wollte nicht, dass Mai es wegwarf. Sie ist nicht allzu sentimental.«
»Dann ist es gut. Ich hatte mich nur gefragt, wo es geblieben sein könnte.«
»Hat Flo dir erzählt, dass sie es Ross geschickt hat?«
Estella schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe gestern Abend in Vaters Tagebuch gelesen. Er hatte das Porträt darin erwähnt.«
Charlies Miene hellte sich auf. Er war froh, dass Estella Ross ihren Vater nannte, vor allem mit so viel Zuneigung in der Stimme. »Als das Porträt damals hier ankam, war er der glücklichste Mensch auf Erden. Er hatte mehr als zwanzig Jahre darauf gewartet, ein Bild von dir zu sehen, und er sagte mir, du seist viel schöner, als er es sich jemals vorgestellt hätte. Er konnte stundenlang dasitzen und das Bild anschauen.«
Estella fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. »Ich bin froh, dass er ein Tagebuch hinterlassen hat.«
»Wo hast du es gefunden?«
»Mai hatte es genommen. Sie benutzte es als eine Art Schutztotem. Sie glaubte, Vaters Geist sei in Gestalt eines Dingo zurückgekehrt, der beim Haus herumlungerte.«
Charlie schüttelte den Kopf. »Die Aborigines glauben fest an solche Dinge«, sagte er. »Ich kenne einige, die gestorben sind, weil sie überzeugt waren, verflucht worden zu sein.«
Estella dachte an Mais abergläubische Vorstellungen. »Darüber würde ich später gern einmal mit Edna sprechen. Was das Tagebuch betrifft, hat es mir ein Fenster zu Vaters Welt geöffnet; es kommt mir so vor, als würde ich ihn endlich kennen lernen.«
»Vielleicht hat Ross das Tagebuch genau aus diesem Grund geschrieben«, meinte Charlie lächelnd, wurde aber rasch wieder ernst, als er an Estellas Plan dachte. »Könntest du Ralph nicht über Funk ein Hausmittel für seinen Hund empfehlen, Estella?«, bat er beinahe flehentlich.
»Nein, Charlie. Ich muss das Tier untersuchen.«
Er verzog das Gesicht, doch in seinen Augen blitzte es auf. »Du bist so stur wie dein Vater!«
»Das fasse ich als Kompliment auf«, gab Estella lachend zurück.
Kaum war sie gegangen, als Charlie schon über Funk in Longreach anrief, der Basis des Flugrettungsdienstes. Henry Phelps meldete sich.
»Wir brauchen hier so schnell wie möglich einen Ersatzpiloten und eine Maschine«, rief Charlie ins Mikrofon, ohne Zeit auf Formalitäten zu verschwenden. »Nur für ein paar Monate«, fügte er rasch hinzu. Er wusste, dass Murphys Maschine versichert war. Wenn sie nicht repariert werden konnte, würde er eine neue bekommen.
Henry erkannte Charlie sofort an dessen rauem Tonfall, doch er beschloss, ihn ein wenig zu ärgern. »Bist du das, Macca?«
»Du weißt verdammt gut, dass ich es bin, Charlie Cooper«, stieß Charlie verärgert hervor. Er war nicht in der Stimmung für alberne Späße.
Henry lachte leise auf. »Wie ich hörte, fliegt Dr. Dan wieder. Könnt ihr euch nicht mit ihm behelfen, bis Murphy wieder fit ist?«
»Gute Neuigkeiten verbreiten sich schnell«, murmelte Charlie. »Dan ist seit Jahren nicht mehr geflogen!«
»Seine Lizenz ist aber noch gültig«, erwiderte Henry, und Charlie hörte, dass er immer noch grinste.
»Er mag ja eine Lizenz haben, aber seine Maschine ist zu alt, und ich möchte nicht, dass er unsere neue Tierärztin, Estella Lawford, mit dieser Mühle durch die Gegend fliegt.«
»Mir hat man erzählt, die Maschine sei gut gepflegt. Und Murphy hat mehr als einmal Ersatzteile dafür gekauft.«
Charlie schnaubte. »Wenn jemand von der Flugsicherungsbehörde die alte Kiste sähe, würde er sie sofort in ein Museum stellen lassen.«
Henry wunderte sich über Charlies plötzlichen Sinneswandel. Normalerweise hasste er Regeln, und es war allgemein bekannt, dass er seine Schanklizenz mehr als einmal hatte auslaufen lassen. »Du bist nicht zufällig in die neue Tierärztin verliebt?«, zog er ihn auf.
»Red keinen Unsinn, Mann. Sie ist meine Nichte.«
Henry war perplex. »Deine Nichte?«
»Ja! Bist du taub?«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt? Ich werde mit Sam Lloyd sprechen. Er kennt viele Leute in der Stadt und kann herausfinden, ob es Piloten mit eigenen Maschinen gibt, die Arbeit suchen.«
»Tu das. Ruf mich zurück, sobald du etwas herausgefunden hast.« Charlie schaltete das Gerät aus, ehe Henry antworten konnte.
Als Charlie in die Bar zurückkehrte, kam Dan herein, um das Formular für die Flugroute auszufüllen. Charlie fand, dass er nervös wirkte, und das ließ ihn selbst noch unruhiger werden. »Ist es
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