Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
April 1927: Es regnet immer noch.
15. April 1927: Es regnet weiter. In Queensland herrschen sogar sintflutartige Zustände. Der Track ist durch das Wasser der über die Ufer tretenden Goyer’s Lagoon und des Cooper River ausgewaschen, und der Diamantina und der Warburton stehen ebenfalls kurz davor, über die zu Ufer zu treten.
14. Mai 1927: Die Polizeiwache in der Stadt steht unter Wasser, und die Einheimischen sagen, der Strzelecki Creek steht fünf Meter höher als bei der Flut von 1913. Um uns herum ist ein See entstanden, und jeden Tag fliegen tausende von Vögeln auf dem Weg zum Lake Eyre über die Stadt – ein spektakulärer Anblick. Ich kann kaum fassen, dass ausgerechnet hier die Menschen und das Vieh, die sonst ständig in Gefahr sind zu verdursten, jetzt befürchten müssen zu ertrinken. Der Gemischtwarenladen in der Stadt hat Vorräte genug, um uns für eine Weile am Leben zu erhalten, doch Charlie fürchtet, in der Bar könnte das Bier ausgehen.
Juli 1927: In nur zwei Monaten ist das Wasser zurückgegangen, der Lake Eyre ist wieder trocken, in der gesamten Gegend herrscht Wassermangel.
August 1927: Ein trauriger Tag. Nachdem er Kangaroo Crossing vor weniger als einer Woche verlassen hatte, ist Robert Foster heute in Ten Mile Creek gestorben. In den gut zwei Jahren, die ich jetzt hier bin, haben schon viele das gleiche Schicksal erlitten. Während Estella die Seiten las, die einer Chronik der Gegend glichen, stellte sie fest, dass ihr Vater mit wachsender Traurigkeit ihrer Geburtstage gedacht hatte. Schuldgefühle stiegen in ihr auf, weil sie in ihrer glücklichen und sorglosen Kindheit fast nie an Ross gedacht hatte. Und wenn sie es doch einmal getan hatte, waren ihre Fragen an einer Wand des Schweigens abgeprallt.
Ross beschrieb sehr plastisch die Veränderungen, die es in Kangaroo Crossing im Lauf der Zeit gegeben hatte. Mit Begeisterung berichtete er über die erste Nachricht, die im Jahr 1929 von dem pedalbetriebenen Funkgerät im Krankenhaus ausgesendet worden war. Er berichtete von seinen Ausflügen in die Simpson-Wüste, die Estella nach ihren jüngsten Erfahrungen mit besonderem Interesse las. Er erwähnte die Sanddünen, die sich zum Teil fast hundert Meilen von Nordwest nach Südost hinzogen und die sie aus der Luft gesehen hatte. Er beschrieb das Schilfgras, das zwischen den Dünenkuppen wuchs, und die Mulga-Sträucher. Außerdem schilderte er begeistert, wie die Wüste sich nach einem der seltenen Regenschauer in ein Meer wilder Blumen verwandelt hatte. Estella bedauerte, dass sie diese Blumen wohl nie sehen würde. Ross schrieb über einige der seltenen australischen Wüstentiere, zum Beispiel die Beutelmaus. Doch was Estella am meisten überraschte, war seine Bemerkung über heiße Quellen in der Nähe der Mungerannie-Versorgungsstation und die Tatsache, dass sich dort anscheinend vierzig verschiedene Vogelarten niedergelassen hatten.
In den Dreißigerjahren berichtete Ross von der Auflösung der Polizeiwache und der Gründung des Flugrettungsdienstes. Bald darauf war ein Pilot mit seiner Maschine in Kangaroo Crossing stationiert worden, der den Arzt zu den stations und den kleinen Ansiedlungen der Rinderfarmer am Rand der Wüste bringen sollte. Ross war begeistert gewesen, diesen Dienst in Anspruch nehmen zu können. Das bedeutete fürihn, dass er viel mehr tun konnte; denn er hatte zu Pferd viel Zeit auf den Wegen zu den verschiedenen stations verloren. Einige Seiten vorher hatte er die Kamelkarawanen mit ihren afghanischen Führern erwähnt, die den Track hinaufzogen. Estella hatte diese Passage mit besonderem Interesse gelesen, da die Karawanen für die Menschen in abgelegenen Siedlungen so ungeheuer wichtig gewesen waren.
Während des Krieges schien sich in Kangaroo Crossing wenig verändert zu haben. Die Vorräte waren knapp gewesen, was das Leben noch härter und die Menschen noch erfinderischer gemacht hatte, doch in diesem isolierten Winkel der Erde hatten sie wenig von den Ereignissen in Übersee mitbekommen. Die Nachrichten in den Zeitungen waren mindestens einen Monat alt, bis sie diese erhielten.
Auf den stations war die Situation dagegen eine andere gewesen. Fast alle gesunden Männer hatten sich zu den Streitkräften gemeldet, sodass die Frauen mit allem allein fertig werden mussten. Sie hatten keine Wahl gehabt, als die Arbeit weiterzuführen, die ihre Männer getan hatten. Also begannen sie, ihr Vieh zu zählen, zu scheren, die Tiere gegen Ungeziefer zu
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