Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
dann Ihr Onkel, nicht wahr?«
»Stimmt.«
»Will er auch, dass Sie fortgehen?«
»Nein.«
»Worüber machen Sie sich dann noch Sorgen?«
Estella wusste, dass es nicht ganz so einfach war. »Wenn ich nicht erwünscht bin, wer gibt mir dann Arbeit?«
»Ich, zum Beispiel. Und ich weiß, dass die anderen Farmer es genauso halten werden. Sie sind unendlich dankbar für das Futter, das Sie organisiert haben.«
»Ich weiß nicht, Ralph. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung, aber ich glaube nicht, dass ich in einer so feindseligen Atmosphäre leben kann, wie sie mir im Moment entgegenschlägt.«
»Das müssen Sie natürlich selbst entscheiden. Aber ichfinde, Sie sollten den Leuten Zeit geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen.«
Estella nickte, aber sie glaubte nicht recht daran, dass die Zeit etwas änderte.
»Wie wäre es jetzt mit einer Tasse Tee und ein paar von Marthas Keksen?«
»Das klingt verlockend. Ich würde Martha auch gern nach dem Teebaumöl fragen. Stellt sie es selbst her?«
»Ja, und Sie wird Ihnen sicher gern zeigen, wie sie es macht.«
32
V ielen Dank, dass du mich zu Ralph geflogen hast, Dan!«, meinte Estella. Sie blickte aus dem Fenster und sah den Schatten der Maschine tief unter ihnen lautlos auf dem roten Wüstenboden dahingleiten.
Im Innern des Flugzeugs hingegen war es alles andere als still. Der Rumpf der Maschine ächzte und quietschte und übertönte fast noch das monotone Brummen des Motors. Estella fragte sich, ob es immer schon so beunruhigend laut gewesen war, wagte aber nicht, etwas zu sagen, aus Furcht, Dan an das schreckliche Unglück zu erinnern.
»Es war mir ein Vergnügen«, erklärte er, doch Estella hatte das Gefühl, dass dieser Flug alles andere als ein Vergnügen für ihn war. Er hielt den Steuerknüppel so fest umklammert, als befürchtete er, er könne sich selbstständig machen. Seine Art zu fliegen war ganz anders als Murphys, der alles mit spielerischer Leichtigkeit zu beherrschen schien. Bei Murphy schien es beinahe so, als würde die Maschine von allein fliegen.
»Das wird wohl mein letzter Hausbesuch gewesen sein, aber ich hätte kein gutes Gefühl dabei gehabt, wäre ich nicht geflogen, denn der arme Rusty hat wirklich gelitten.«
Dans Blick ließ sie ahnen, was er jetzt sagen würde: »Du bist deinem Vater sehr ähnlich, Estella!«
Seine Worte freuten sie, stimmten sie aber gleichzeitig traurig.
»Ich bin sicher, es wäre Ross’ Wunsch, dass du im Outback bleibst und seine Arbeit weiterführst.«
»Das würde ich ja gern, aber ich kann nicht unter Menschen leben und arbeiten, von denen einige mir vorwerfen, meinem Vater das Herz gebrochen zu haben.«
»Aber du denkst doch nicht ernsthaft daran, nach England zurückzugehen?«
»Ich weiß es nicht. Ich hätte nie gedacht, dass ich es einmal tun würde ...« Am wenigsten hatte sie damit gerechnet, dass sie dazu gezwungen sein könnte. Aber zum Glück gab es Tante Flo, die sie mit offenen Armen empfangen würde, falls es so weit kam.
»Ich hoffe, du bleibst«, meinte Dan.
»Dann bist du wahrscheinlich der Einzige – abgesehen von Charlie, natürlich.«
»Und Murphy?«
Estella seufzte. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit ihm zu reden. Aber ich glaube nicht, dass er gut auf mich zu sprechen ist. Als wir in der Wüste festsaßen, haben wir uns gegenseitig vieles erzählt, und jetzt wird er sich wundern, warum ich ihm nicht gesagt habe, wer ich bin, obwohl ich die Möglichkeit hatte.«
Dan ergriff die Gelegenheit, mehr über ihre Beziehung zu erfahren. »In einer solchen Situation kommt man sich doch sicher sehr nahe.«
Estella nickte. »Ja. Ich wollte nicht akzeptieren, dass wir sterben mussten. Murphy dagegen war sicher, dass man uns nicht findet ...«
»Das sieht ihm gar nicht ähnlich.«
»Unter anderen Umständen wäre er wohl nicht so pessimistisch gewesen, aber ich hatte ihm in dem Moment von meiner Schwangerschaft erzählt, als er die Notlandung vorbereitete. Er war so erschrocken, dass er vergaß, Charlie unsere Position durchzugeben. Und ich sehe erst jetzt, wie riesig die Simpson-Wüste ist. Nun kann ich verstehen, warum Murphy nicht an eine Rettung glaubte.«
Dan blickte aus dem Fenster. Es war einfacher, ein Salzkorn in einem Eimer voller Sand zu finden, als einen Verschollenen in der Simpson-Wüste.
»Das Funkgerät ist bei unserer Bruchlandung schwer beschädigt worden«, meinte Estella. »Es war ein Wunder, dass Murphy es wieder halbwegs reparieren konnte, sonst wären
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