Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
zwischen Nüssen und Beeren, von ihren Schalen befreiten. Die Kinder sammelten in der Umgebung des Lagers riesige Larven in einem Rindenkorb, um sie später zu kochen.
Edna stellte Estella den kadaicha vor, der den Namen Birum-Birra trug. Er saß im Schatten einer Akazie und stand nicht auf, um sie zu begrüßen. Er hatte die Beine übereinander geschlagen und trug nur ein um die Hüften geschlungenes Lendentuch. Estella fielen mehrere große Narben an seinem mageren Körper auf, die aussahen, als stammten sie von Wunden, die ihm absichtlich zugefügt worden waren, oder die er sich selbst beigebracht hatte. Birum-Birra hatte einen grauen Vollbart, und seine Stirn – vielmehr das, was unter dem farbenprächtigen Kopfschmuck davon zu sehen war –, war von tiefen Falten durchzogen. Estella hatte nicht erwartet, einen jungen Mann zu sehen, doch der kadaicha war kein Greis, wie sie angenommen hatte.
Birum-Birra bedeutete Estella und Edna durch Zeichen, sich ihm gegenüberzusetzen. Im Staub unter der Akazie kauernd fühlte Estella sich wie bei einer königlichen Audienz. Tatsächlich besaß der Medizinmann höchstes Ansehen beim Stamm.
Edna erklärte ihm in ihrer Sprache, dass jemand Mai mit Alkohol versorgte und dass Mai Estella nicht sagen wollte, wer es war, weil sie fürchtete, dass dann ihrer Tochter etwas Schlimmes zustoßen würde. Als Edna geendet hatte, starrte Birum-Birra Estella eindringlich an, ohne ein Wort zu sagen. Sie bemühte sich, unter seinem Blick so ruhig wie möglich zu bleiben. Die breite Nase und die dunklen, wissenden Augen verliehen dem kadaicha etwas Düsteres, doch Estella spürte, dass er eher neugierig war.
Schließlich schloss Birum-Birra die Augen und wiegte sich leicht hin und her. Dann öffnete er sie wieder und starrte auf einen Punkt zwischen Estella und Edna. Schließlich sagte er etwas zu Edna, die Estella seine Worte zu übersetzen versuchte. »Birum-Birra sagt, nicht wad-yeo-deo ...«, erklärte sie kopfschüttelnd.
»Was bedeutet das?«
Edna und der kadaicha wechselten noch einige weitere Worte; dieses Mal schien er ihr Fragen zu stellen. Doch Estella bemerkte, dass Edna ihm auswich. Estella barg das Gesicht in den Händen und schüttelte verzweifelt den Kopf. Wenn sie doch nur selbst mit dem kadaicha hätte sprechen können!
In diesem Moment erschien ein jüngerer Mann, der ebenfalls nur ein Lendentuch trug und barfuß ging. Nachdem er einige Worte mit dem Medizinmann gewechselt hatte, wandte er sich in gebrochenem Englisch an Estella.
» Wad-yeo-deo bedeutet ›nicht krank‹ oder ›nicht schlecht‹.«
Estella fiel ein Stein vom Herzen. »Sprechen Sie Englisch?«
»Ja, Missus. Ich haben auf Schaffarm im Norden gearbeitet.«
»Gott sei Dank! Bitte, erklären Sie mir alles, was der kadaicha gesagt hat!«
Der Mann nickte. »Jemand hat Mai etwas erzählt, was nicht stimmt. Aber es war kein schwarzer Mann.« Er schlug sich auf die Brust. »Der kadaicha sagt, kein schwarzer Mann hatverflucht die Frau, die du Mai nennst.« Er wandte sich an Edna, wohl um zu fragen, wer Mai war, und diese schien es ihm zu erklären, denn der junge Mann nickte und lachte, was Estella nicht verstand.
»Hat Mai wieder weißen Freund?«, fragte er dann.
»Nein«, erwiderte Estella. »Aber sie will mir nicht sagen, wer ihr Wein gibt.«
»Jemand, der Ärger macht«, meinte der junge Mann.
»Sie hat Angst, mir zu sagen, wer es ist. Sie glaubt, dass ihrem Kind dann etwas zustößt.«
»Vielleicht weißer Mann ihr Angst macht.«
Jetzt begann auch Birum-Birra wieder zu sprechen und schien jemandem mit dem Finger zu drohen.
»Was hat er gesagt?«, wollte Estella wissen.
»Er sagt, wenn der wi-la kommt ...«
»Was ist das?«
» Wi-la ist schwarzer Kakadu. Wenn er erscheint, kommt Wahrheit ans Licht.«
»Das muss der neue Arzt sein«, sagte Charlie zu Wags. »Meinst du, Dan bringt ihn hierher, damit wir ihn begrüßen?«
Die Männer blickten aus dem Fenster der Bar, das nicht besonders sauber war, sodass sie nicht allzu viel sehen konnten.
»Ich weiß nicht«, meinte Marty zweifelnd. »Vielleicht sollten wir hinausgehen.«
»Ja, kommt«, sagte Wags. »Ich hab noch nie ein nagelneues Flugzeug gesehen.«
Als die Männer auf die Veranda kamen, sahen sie Dan und den neuen Arzt gerade im Krankenhaus verschwinden.
Charlie sah Marty an. »Die beiden scheinen ziemlich aufgeregt zu sein«, meinte er.
Wags runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf. »Habe ich es mir nur eingebildet, oder hat
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