Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
eigentlich die Füße hochlegen und sich ausruhen, doch sie möchte noch zu etwas nutze sein, und ich kann ihr das nicht nehmen. Außerdem kümmert sie sich um die Buchhaltung und bedient das Funkgerät.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Und sie ist sehr pünktlich. Wenn Sie in einer halben Stunde noch hier sind, werden Sie Betty kennen lernen. Normalerweise haben wir hier über Nacht keine Patienten. Schwerverletzte und ernsthaft Kranke werden nach Melbourne, Adelaide oder Alice Springs geflogen. Wir behandeln viele Aborigines, aber sie wollen nicht über Nacht bleiben, es sei denn, sie sind schlimm krank. Also haben wir es meist mit auswärtigen Patienten zu tun. Um ehrlich zu sein, steht unser Krankenhaus ständig kurz vor der Pleite. Wir bekommen nur sehr wenig Zuschüsse, und in diesem Jahr mussten wir das Geld wegen der Dürre für Wasser ausgeben.«
»O je. Dann wird mein Aufenthalt hier Ihre Probleme noch vergrößern.«
»Warum?«
»Weil ich vielleicht nicht genügend Geld habe, um meine Rechnung zu bezahlen, wenn ich nicht schnell etwas zu tun bekomme.«
Dan lachte. »Keine Angst«, sagte er. »Wie werden für unsere Dienste selten mit Geld bezahlt.«
Estella blickte ihn verwundert an.
»Kylie hat mir erzählt, dass Sie unsere neue Tierärztin sind«, fuhr Dan fort.
»Das stimmt.«
»Ich hoffe, Sie haben die Stelle nicht in der Hoffnung angenommen, Sie könnten hier viel Geld verdienen. Ich glaube, die Leute haben Ross bei seinem Tod ein kleines Vermögen geschuldet. Wahrscheinlicher ist, dass Sie als Bezahlung eine Lammkeule oder ein Dutzend Eier bekommen, was im Grunde sehr praktisch ist. Ich habe einen ganzen Schrank vollerBumerangs, Speere und Tierhäute. Eines Tages werde ich das alles mal in Adelaide verkaufen. Ich kann das Geld gut gebrauchen.«
»Ich hatte nicht erwartet, hier Reichtümer anzuhäufen«, sagte Estella, »aber ich hatte schon gehofft, genug zu verdienen, damit ich meine Rechnungen bezahlen und meinen Lebensunterhalt bestreiten kann.«
Dan zuckte lächelnd die Schultern. »Lassen Sie uns hoffen, dass es so ist.«
Estella konnte noch immer nicht glauben, dass sie den Mann vor sich hatte, den sie am Abend zuvor sturzbetrunken in der Bar des Hotels gesehen hatte. Jetzt wirkte er umsichtig und professionell. »Wie geht es Ihnen heute Morgen?«, erkundigte sie sich.
»Mir?« Dan blickte sie einen Moment verwirrt an, bevor er verlegen erwiderte: »Ach, Sie meinen das hier.« Er fuhr mit der Hand über das Pflaster an seinem Auge. »Es ist nichts. Ich bin manchmal ein wenig ungeschickt, besonders wenn ich müde bin – wie meistens.« Er lächelte steif und ging zum Fenster hinüber, um die Vorhänge aufzuziehen. Estella kniff geblendet die Augen zusammen, als helles Sonnenlicht in den Raum strömte. Gleichzeitig kamen mehrere große Schmeißfliegen hereingeflogen. Estella sah den Lastwagen draußen vor dem gegenüberliegenden Geschäft stehen, ein schrottreifes Vehikel, das nicht so aussah, als würde es noch lange die so genannte Hauptstraße hinunterschaffen. Mehrere Männer standen um den Laster herum, darunter Charlie Cooper und Michael Murphy. Sie luden Kartons mit Waren und Taschen voller Lebensmittel ab. Dann erschien auf der Ladefläche des Lasters eine junge Frau und rief den Männern Anweisungen zu.
»Es ist schön, ein neues Gesicht in der Stadt zu haben«, meinte Dan. »Erlauben Sie mir, Sie offiziell in Kangaroo Crossing willkommen zu heißen!« Er wandte sich um. »Auchwenn Sie hier nicht viel verdienen werden, so wird Ihre Arbeit sicher sehr geschätzt.«
Estella war dankbar, dass zumindest ein Mensch in dieser Stadt sie willkommen hieß. Dass es ausgerechnet Dan Dugan war, der Einzige, über den sie mit Verachtung gesprochen hatte, erfüllte sie mit Scham. »Vielen Dank«, sagte sie leise. »Aber ich glaube, die Stelle ist zeitlich befristet.«
Dan sah sie verwundert an. »Die Leute in der Stadt sind froh, Sie hier zu haben, und ich halte es für sehr optimistisch, damit zu rechnen, einen anderen Nachfolger für Ross Cooper zu finden, der hier schon schmerzlich vermisst wurde. Er war nicht nur ein hervorragender Tierarzt, sondern auch ein Mensch, der sehr gut hierher passte – und obendrein einer der besten Freunde, die ein Mann sich wünschen kann. Ich weiß, wie schwierig es ist, gut ausgebildete Spezialisten dazu zu bringen, im australischen Outback zu arbeiten. Ich suche schon seit Jahren einen Assistenten, bisher leider ohne Erfolg.«
»Nun ja, gut
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