Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
etwas hätte er nicht zugelassen.
»Ich habe die Pferdemassage an der Universität kennen gelernt und schätzte sie so sehr, dass ich zusätzliche Kurse darin belegte. Sie wird sowohl von Tierärzten als auch von Pferdetrainern angewandt, und ich ziehe sie anderen Behandlungsmethoden vor – zum Beispiel chirurgischen Eingriffen, die immer nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollten. Mit der richtigen Unterstützung weiß der Körper sich meist selbst zu heilen.«
Martys Interesse war offensichtlich. »Bei Ihnen hört sich alles so einfach an«, sagte er, doch in seinen Augen sah Estella noch immer Skepsis.
»Es ist ganz und gar nicht einfach«, erwiderte sie mit einem Blick zu Stargazer. »Ihr Pferd hat eine sehr schmerzhafte Verletzung erlitten und ist nicht behandelt worden ...«
Marty hörte den Vorwurf in ihren Worten. »Haben Sie diese Massage seit Ihrem Studium jemals wieder praktiziert?«, stieß er ärgerlich hervor.
Estella senkte den Kopf. »Nein. Ich habe seit meinem Examen überhaupt noch nicht praktiziert – aber ich weiß genau, was ich tue.« Hoffte sie jedenfalls, denn ihr Ruf hing davon ab.»Werden Sie Stargazer eine Chance geben, Marty? Er hat nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen!«
Marty schwieg einen Moment. Er wusste, dass sie Recht hatte, war aber noch immer nicht davon überzeugt, dass sie Stargazer helfen konnte. »Na schön, Mädchen«, sagte er schließlich, »aber wir beide machen uns zum Gespött der ganzen Stadt. Die Leute werden uns auslachen!«
»Wenn Stargazer in diesem Jahr wieder die Picknick-Rennen gewinnt, lachen wir «, sagte sie zuversichtlich.
Marty sah sie mitleidig an. »Ich weiß, dass Sie es gut meinen, Estella. Nur – stecken Sie Ihre Hoffnungen nicht zu hoch. Sie kennen Stargazer nicht und wissen nichts über seine Verletzung, und Ihnen fehlt die Erfahrung in dieser Behandlungsmethode. Ich glaube nicht, dass er wieder Rennen laufen wird. Aber wenn Sie es schaffen, dass er sich wieder wohl fühlt, schulde ich Ihnen schon eine ganze Menge. Wegen der Waren, die Sie bestellt haben, werden wir uns sicher so einigen, dass wir beide zufrieden sind.«
»Das hört sich nach einem fairen Geschäft an«, meinte Estella. Sie setzte große Hoffnungen in Stargazer, aber die würde sie für sich behalten müssen. »Ich fange gleich morgen früh mit der Arbeit an. Ich brauche seine Striegel und Bürsten, und ich möchte ihn auf eine bestimmte Diät setzen, die Sie genau befolgen müssen.«
Marty nickte. Er sah erst Stargazer an, dann Estella. Sein Blick sagte ihr, dass er ungefähr so fest an ihren Erfolg glaubte wie daran, dass der Hengst den Melbourne Cup oder den Grand National gewinnen würde.
9
E stella hörte das Brummen eines Motors, als sie zwischen den Häusern hindurch zur Adelaide Street ging. Dann sah sie Murphys Maschine über die »Rollbahn« preschen. Das Flugzeug wirbelte Wolken roten Staubs auf, sodass die Sonne nur wie durch einen Schleier zu sehen war. Irgendjemand saß im Cockpit neben Murphy. Estella nahm an, dass es Dan Dugan war. Da es in einer Stunde dunkel wurde, fragte sie sich, wie weit die Männer fliegen würden und ob Dan wohl nüchtern war.
Das Innere des Hotels wirkte düster nach der gleißenden Helligkeit draußen. Charlie sammelte gerade leere Gläser ein, doch als er Estella hereinkommen sah, blieb er stehen und wartete gespannt, was sie ihm zu erzählen hatte.
»Charlie, ich habe meinen ersten Patienten«, sagte sie. Ihre Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, sodass sie den Mann nicht bemerkte, der in der Nähe des Fensters saß.
Charlie blickte sie verwundert an. »Willst du mir weismachen, du hast Marty überredet, Stargazer behandeln zu lassen?«
»Genau.«
Charlie konnte es nicht fassen. »Wie hast du ihn dazu gebracht, seine Meinung zu ändern?«
»Ich glaube, das hat Stargazer für mich getan. Er ist auf mich zugekommen, nachdem ich ihn ein wenig ermutigt hatte.«
Charlie blieb der Mund offen stehen.
»Nun, eigentlich hat er nur drei Schritte gemacht – aber er hat zugelassen, dass ich ihn ein paar Minuten lang massierte.«
»Dann hast du jetzt schon ein kleines Wunder vollbracht, Estella. Dein ...« Er stockte und blickte zum Viehtreiber in der Ecke am Fenster, und auch Estella wandte sich halb zu dem Mann um. »Dein Vorgänger, Ross, wäre begeistert!«
Estella war gerührt, doch zum ersten Mal spürte sie auch die Verantwortung, die jetzt auf ihr lastete. Leise erwiderte sie: »Es ist
Weitere Kostenlose Bücher