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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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Zufall war zu unwahrscheinlich.
    – Sie glauben mir nicht?, sagte Yousef. Ich zeig Ihnen den Laden, solange Sie noch hier sind. Ich habe als Kind und Jugendlicher dort gearbeitet. Wir alle mussten das, meine Brüder und ich. Aber mein Dad ist ein Diktator. Er lässt sich von uns nichts sagen. Erst recht nicht von mir. Ich könnte eine Menge für den Laden tun, ihn modernisieren. Aber mein Dad ist jetzt alt. Er will von neuen Dingen nichts hören.
    Yousefs Brüder hatten alle andere Berufe ergriffen. Ein Bruder war Arzt in Jordanien. Ein anderer war Imam in Riad. Der letzte studierte in Bahrain.
    Sie waren jetzt auf der Schnellstraße.
    – Erzählen Sie einen Witz, sagte Yousef. Das bringt Glück.
    – Ist das ein saudischer Brauch?
    – Keine Ahnung. Ich kenne mich mit unseren Bräuchen nicht aus. Oder was Leute für unsere Bräuche halten. Ich weiß nicht mal, ob wir überhaupt Bräuche haben.
    – Ich hab heute keine Witze auf Lager, sagte Alan.
    Aber dann fiel ihm doch einer ein.
    – Okay. Ein Ehepaar macht sich bettfertig. Die Frau steht vor einem großen Spiegel und mustert sich kritisch. »Weißt du was, Schatz«, sagt sie, »ich schaue in den Spiegel und sehe eine alte Frau. Mein Gesicht ist faltig, mein Haar ist grau, meine Schultern sind krumm, ich habe dicke Beine, und meine Arme sind ganz schwabbelig.« Sie dreht sich zu ihrem Mann um und sagt: »Sag irgendwas Positives über mich, damit ich mich besser fühle.« Er mustert sie einen Moment lang, denkt nach, und dann sagt er ganz sanft und bedächtig: »Also, sehen kannst du jedenfalls noch prima.«
    Yousef lachte laut los. Zu laut.
    – Bitte seien Sie leise.
    – Tut Ihnen der Kopf so weh? Muss ja ein übler siddiqi gewesen sein.
    – Was ist siddiqi?
    – Es bedeutet mein Freund. Das haben Sie getrunken.
    – Ich streite es ab.
    – Alan, ich bin nicht die Mutawa. Und Sie sind nicht der erste Geschäftsmann, den ich herumfahre. Moment.
    Sie näherten sich einem Checkpoint. Zwei junge Soldaten standen auf dem Mittelstreifen und hielten Autos an. Am Straßenrand saßen drei weitere uniformierte Männer in einem Polizeiwagen. Yousef kurbelte sein Fenster runter. Der Soldat stellte Yousef brummelnd eine Frage, Yousef antwortete, und der Soldat winkte ihn durch. Und das war’s. Yousef fuhr weiter.
    – Das ist alles? Er wollte wirklich nichts sehen?
    – Manchmal sind sie so.
    – Suchen sie nach jemand Bestimmtem?
    – Vielleicht. Das ist alles Schau. Keiner will hier Soldat sein. Die würden die Jobs an ausländische Arbeiter abgeben, wenn sie könnten.
    Sie verließen die Stadt und waren schon bald auf der bekannten einsamen Straße. Ein mit Palmen beladener Laster überholte sie, wirbelte Staub auf.
    – Sind Sie hungrig oder nicht?, fragte Yousef.
    – Ich weiß nicht genau.
    – Es ist besser, viel zu spät zu kommen als bloß ein bisschen. Letztes Jahr hab ich einen Mann aus Texas ein paar Wochen herumgefahren. Der hat mir das erzählt. Wenn du eine halbe Stunde zu spät kommst, sieht es aus wie ein Versehen. Wenn du zwei Stunden zu spät kommst, sieht es aus wie Absicht.
    Yousef entschied sich für ein Restaurant ein paar Meilen weiter an der Straße. Sie hielten davor. Das Lokal war unter freiem Himmel, eine Reihe von Räumen mit niedrigen Wänden ohne Dach. Sie gingen ins Hauptgebäude, und der Fischgeruch war überwältigend. Fischgerichte entsprachen nicht gerade Alans Vorstellung von seinem ersten Essen nach dem Schnapsbesäufnis. Er wollte Brot und Schinkenspeck.
    Yousef führte ihn zu einer breiten Vitrine mit Hunderten Fischen auf Eis.
    Alan hätte fast gewürgt.
    – Haben Sie einen bestimmten Wunsch?, fragte Yousef.
    Alan wollte alles andere als das hier. Er wollte gehen und irgendwas Trockenes besorgen. Cracker, Chips. Aber er hatte sich daran gewöhnt, alles zu essen, was ihm vorgesetzt wurde. – Suchen Sie aus, sagte er.
    – Nehmen wir zwei von denen, sagte Yousef und deutete mit dem Kopf auf ein Paar gut dreißig Zentimeter lange Fische, silbrig rosa. Wir nennen sie nadschel. Keine Ahnung, wie sie bei euch heißen. Yousef bestellte für sie beide.
    Sie wurden zu Plätzen nach draußen geführt, obwohl es keine Stühle gab. Es war üblich, sich auf den Boden zu setzen, jeder mit einem steifen Kissen zum Anlehnen.
    Fliegen landeten auf ihren Knien und Armen. Alan verscheuchte sie, aber sie ließen sich nicht lange abschrecken. Der Gedanke, Fisch hier im Freien zu essen, in dieser Hitze, verschlug ihm den Appetit. Er hörte einen

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