Ein Hologramm für den König
Urbanität von Salem und Alan und diesen jungen Männern, von denen Alan vermutete, dass sie konservativer erzogen worden waren, weit weg von Dingen wie Popmusik und amerikanischen Gästen. Der Abend nahm seinen Lauf, und mehr Tee wurde serviert, und es gab anscheinend viel Nachholbedarf, viele Geschichten zu erzählen, und Alan hatte das Gefühl zu stören. Als Salem behauptete, müde zu sein, und hineinging, fasste Alan das auch als Wink für sich auf. Yousef wünschte ihnen beiden eine gute Nacht und wies Hamza an, sie zu ihren Zimmern zu bringen.
In Alans Zimmer, so groß wie ein herrschaftlicher Speisesaal, lag jetzt eine von den dünnen, biegsamen Matratzen, unter denen die Gewehre versteckt gewesen waren, auf dem Fußboden, akkurat mit einem Laken und einer Wolldecke bezogen. Seine Reisetasche war aus dem Wagen geholt worden und stand auf einem Holzstuhl neben dem Bett. Hamza zeigte ihnen das Bad, gab ihnen Handtücher, Waschlappen, sogar Sandalen aus weichem Leder.
Alan legte sich auf die Matratze und zog die dicke Wolldecke über sich. Das Haus kühlte rasch aus.
Salem kam an der Tür vorbei.
– Nacht, sagte er.
– Nacht, sagte Alan.
Es war inzwischen bestimmt kurz vor Mitternacht. Durchs Fenster konnte er den nahen Berghang sehen, höchstens zehn Schritte entfernt, und darüber einen metallisch blaugrauen Himmel und winzige Sternenpunkte. Jetzt, wo er lag und es warm hatte, wollte er in dieser Nacht gern in den Bergen wandern, mit Yousef oder Salem oder allein. Er war nicht müde. Er starrte nach oben durch das Fenster über ihm, der Berghang so blau im reinen Mondlicht. Er wurde von Minute zu Minute wacher.
Er dachte an einen Brief, hatte aber kein Papier. Er entdeckte einen großen Umschlag an der Tür und begann: »Liebe Kit, ich schreibe Dir aus einer Burg. Ehrlich. Ich bin in einer Art moderner Festung, auf einem Hügel in den Bergen Saudi-Arabiens. Der Mann, der dieses Haus gebaut hat, verkauft Schuhe. Er ist nicht irgendein führender Schuhfabrikant. Er ist ein Mann, dem ein 40-Quadratmeter-Laden in Dschidda gehört und der einfache Schuhe verkauft, hauptsächlich Sandalen, an normale Leute. Und mit dem Geld, das er durch den Verkauf von Schuhen verdient und gespart hat, ist er zurück in sein Dorf gegangen, hat einen Berggipfel eingeebnet und eine Burg gebaut.«
Er legte den Stift hin. Er ging langsam zur Tür, um Salem ja nicht zu wecken. Das Haus war still, doch die meisten Lichter im Haus brannten noch. Er schlich zur Treppe und stieg dann ganz leise die unebenen Stufen hoch bis aufs Dach. Dort ging er von Ecke zu Ecke und ließ die Aussicht von allen Seiten auf sich wirken. Er glaubte, dass er hier leben könnte. Er glaubte, dass er mit dem Leben hier zufrieden sein könnte, wenn er so ein Haus wie dieses gebaut hätte. Alles, was er brauchte, war etwas Platz, irgendwo weit weg von überall, wo das Land billig und Bauen einfach war. Er konnte die Träume von Yousefs Vater nachempfinden, das Bedürfnis, zu seinen Ursprüngen zurückzukehren, etwas Dauerhaftes zu bauen, etwas Offenes und Eigenartiges wie diese Festung, etwas, das Familie und Freunde mitbenutzten, alle, die von Anfang an für ihn da gewesen waren. Aber was waren Alans Ursprünge? Er hatte kein Dorf, aus dem er stammte. Er hatte Dedham. War Dedham so was wie ein Stammsitz? Niemand dort hatte eine Ahnung, wer er war. War er aus Duxbury? War er eigentlich mit diesem Städtchen verbunden oder irgendwer mit ihm?
In Duxbury konnte Alan nicht mal eine Mauer bauen.
Alan wollte nicht an den Typen vom Planungsamt denken, doch auf einmal war er da, sein schleimiges Gesicht. Alan hatte bloß einen Gemüsegarten anlegen wollen, abgetrennt mit einer kleinen Steinmauer. In dem Bereich hinterm Haus, den er dafür ausgesucht hatte, war der Boden steinig, daher beschloss er, den Garten etwas erhöht anzulegen, gut einen halben Meter. Er hatte so was mal in einem Buch gesehen, und er fand die Lösung einleuchtend und auch optisch ansprechend. Der in dem Buch war mit Holz umgrenzt, wie ein Sandkasten, aber Alan wollte so etwas wie die alten Steinmauern, die einige der Grundstücke am Stadtrand abschlossen – Mauern, die vor Hunderten von Jahren erbaut worden waren, zumindest einige von ihnen. Etliche dieser alten Mauern hatten gar keinen Mörtel, bestanden bloß aus sorgfältig gestapelten Natursteinen, aber Alan beschloss, Zement zu nehmen, der alles schön zusammenhielt. Also fuhr er, nachdem er in der Bücherei ein Buch über
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