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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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herum. Sie blieben im Schatten. Alan wollte ihnen von seiner Begegnung mit dem Mann im Pick-up erzählen, weil er wusste, dass er Mist gebaut hatte und es bald Ärger geben könnte, und wenn nur in Form eines Anrufs. Aber er hegte die Hoffnung, dass der Mann die Sache vergessen würde, dass sie belanglos gewesen war, dass sein verunglückter Witz als genau das und nicht mehr gesehen werden würde.
    Nach dem Frühstück trabte Yousef ins Haus, beflügelt. Er kam mit zwei von den Gewehren wieder, die er ihnen am Abend zuvor gezeigt hatte. Alan rechnete wieder mit einer kleinen Präsentation, bis er sah, dass Yousef eine Schachtel Patronen Kaliber .22 auf dem Tischtuch auskippte und eine in die Kammer des Gewehres schob.
    Unter Fremden oder neuen Freunden löst das Laden einer Schusswaffe stets ein kurzes Abtaxieren aus. Alan hatte viele Jahre regelmäßig Umgang mit Schusswaffen gehabt, und er fühlte sich wohl mit ihnen, und er fühlte sich wohl mit Yousef, und doch musste er kurz innehalten und über seinen Freund nachdenken und über das Gewehr und ihre Situation und über mögliche Motive und Folgen. Sie waren weit entfernt von irgendwem, der sich um Alans Leben scherte. Er vertraute Yousef, betrachtete ihn als seinen Freund, als so etwas wie einen Sohn, doch andererseits war da ein kleiner Teil von ihm, der sagte: Du kennst keinen von diesen Leuten besonders gut.
    Yousef ließ das Gewehr auf der Tischdecke liegen und ging zur anderen Seite der Terrasse, wo das Grundstück an den Berghang grenzte. Er holte eine Blechdose aus dem Gestrüpp und stellte sie auf die niedrige Mauer. Dann kam er zurückgetrabt.
    – Mal sehen, ob ich es noch einigermaßen kann, sagte er.
    Alan rechnete damit, dass Yousef sich auf den Bauch legen oder stehen würde, doch stattdessen setzte er sich hin, die Knie angewinkelt. Er stützte die Ellbogen auf die Knie, drückte das Gewehr an die Schulter. Alan hatte noch nie jemanden so schießen sehen, aber es ergab einen gewissen Sinn.
    Yousef zielte auf die Dose – sie war ungefähr zwanzig Schritte entfernt – und schoss. Der Knall war nicht sehr laut, nicht so laut wie bei einer .45er. Diese .22er waren leise, elegant, beinahe höflich in ihren Geräuschen und Ansprüchen.
    Die Kugel verschwand im Dickicht. Er hatte sein Ziel verfehlt. Er grummelte irgendwas auf Arabisch, leerte die Kammer und lud neu. Er zielte, feuerte, und diesmal kippte die Dose, nachdem sie eine Sekunde lang geschwankt hatte, von der Mauer nach vorn auf die Zufahrt, wie ein Filmcowboy, der von einem Dach fällt.
    – Sehr gut, sagte Alan.
    Hamza lief hin und stellte die Dose wieder auf.
    – Jetzt Sie? Yousef reichte ihm die Waffe.
    Alan nahm die Waffe und schob eine der kleinen, goldummantelten Patronen hinein. Das Gewehr war sehr leicht. Er hätte gern gestanden oder sich auf den Bauch gelegt, fand aber, dass die Sitte verlangte, es wie Yousef zu machen.
    Die Haltung war einigermaßen bequem und ahmte die Form eines Stativs nach. Alan nahm die Dose ins Visier, atmete aus und drückte ab. Eine Faust Staub wirbelte knapp links von der Dose auf. Yousef und Hamza wirkten leicht beeindruckt, schienen aber auch froh, dass Alan ein schlechterer Schütze war. Wie hätten sie auch dagestanden, wenn Alan, im mittleren Alter, schwer und in Kakihose, sich einfach hinsetzen, ein Gewehr nehmen und sie übertreffen konnte?
    Genau das hatte Alan vor.
    – Kann ich noch einmal?, fragte er.
    Yousef zuckte die Achseln und deutete mit einem Nicken auf die Patronenschachtel. Alan schob eine weitere in die Kammer und zielte erneut. Er visierte das Ziel an, atmete, drückte ab. Diesmal bekam die Dose eine Kugel in den Bauch und fiel von der Mauer.
    Alle, sogar Salem, murmelten anerkennend. Alan gab Yousef die Waffe, und der lächelte breit.
    Sie machten etwa zwanzig Minuten so weiter, wechselten sich mit dem Aufstellen und Durchlöchern der Dose ab, bis ein Lieferwagen die Zufahrt hochgebraust kam. Es war der weiße Pick-up, der zuvor neben Alan gehalten hatte. Sobald der Mann in Sicht kam, der offensichtlich ganz aufgeregt war, wusste Alan, dass er sich bald würde rechtfertigen müssen. Zu allem Übel hatte Alan, als der Mann anhielt, auch noch ein Gewehr in der Hand. Der Mann kam mit energischen Schritten auf sie zu, und Alan legte die Waffe auf das Tischtuch, möglichst nah bei Yousef, aber noch immer in Reichweite. Wie sollte er wissen, was passieren würde? Er brauchte Optionen.
    Zunächst überschüttete der Mann Yousef mit einem

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