Ein Hummer macht noch keinen Sommer
eine schwere Zeit durch.«
»Oh.« Rudolf sah betroffen aus. »Ich gebe wirklich mein Bestes.«
»Aber du bist ihr Vater. Du kannst ihr die Mutter nicht ersetzen.«
»Rosie, geh dir mal ein Eis kaufen«, sagte Rudolf.
»Nö, ich will hören, was ihr redet.« Rosie rückte näher an die Männer heran.
»Sie braucht eine Mutter«, fuhr David mit gedämpfter Stimme fort, »jeden Tag, nicht nur jedes dritte oder vierte Wochenende. Eine Mutter, die sich um sie kümmert. Sie ist doch noch so klein. Hast du denn keine Freundin, Rudolf? Du bist doch ein schicker Typ.«
»Ich bin fertig mit den Frauen.«
David lachte. »Solltest du eines Tages homosexuell werden, mein Lieber, dann ruf mich an.«
Rudolfs Augen weiteten sich entsetzt. »Oh! Nein!« Er schüttelte sich. »Ich habe wirklich nichts gegen Schwule, aber … ich … mir … Das wäre das Letzte auf der Welt. Ich mag Frauen, David, ich liebe Frauen, und ich habe immer Pech mit ihnen gehabt, aber lieber bleibe ich bis an mein Lebensende allein, als dass ich mich mit einem … Mann einlassen würde, das ist mir …« Das Grauen stand Rudolf ins Gesicht geschrieben.
David klopfte ihm lachend auf die Schulter. »Schon gut, Rudolf, es war doch nur ein Scherz.«
Sie schwiegen, ließen ihre Blicke über den gut besuchten Strand schweifen, der im Laufe des Vormittags immer voller geworden war.
»Meinst du wirklich, dass Jamie Oliver sich Pizza kommen lässt?«, fragte Rudolf nach einer Weile.
David gab einen schnaubenden Laut von sich. »Wahrscheinlich nicht. In Jamies Küche gibt es nur selbst gemachten, frischen Bio-Hefeteig, den er höchstpersönlich geknetet hat.«
Lachend goss Rudolf Orangensaft in drei Plastikbecher. »Und er nervt seine Frau und die vielen Kinder«, fuhr er fort, »weil in seiner Nähe kein einziger industriell hergestellter Keks geduldet wird.«
»Genau so einer ist das!«, sagte David grinsend. »Ein bisschen Wodka in den Saft?«
»Wir sind ja mit der S-Bahn hier.«
David trank einen Schluck und bohrte seine Zehen in den Sand. »Ach, ist das nicht ein herrlicher Tag?«, murmelte er. »Aber so sonnig er auch sein mag, niemand kann über seinen Schatten springen. Jamie nicht, du nicht, ich nicht. Und mein Theodor auch nicht.«
»Das hast du schön gesagt, David.«
»Danke. Selbst Angela Merkel wird schon beim Frühstück laut über Politisches nachdenken.« David verstellte seine Stimme: »Reichst du mir mal die Erdbeermarmelade rüber, Joachim, und was mach ich heute bloß mit den doofen Steuern?«
Rudolf lachte laut auf. »Was ist mit den Gynäkologen?«, fragte er. »Meinst du, dass sie nach Feierabend die weibliche Verwandt- und Nachbarschaft behelligen?«
»Ganz sicher.« David kicherte. »Und die Urologen?«, prustete er.
Rosie sah von David zu ihrem Vater, der vor Lachen bebte.
»Besonders schlimm sind bestimmt die …« David krümmte sich vor lauter Belustigung. »… die Proktologen.«
Wiehernd schlug sich Rudolf auf die nackten Schenkel.
»Was ist ein Poktologe?«, fragte Rosie.
»Das willst du nicht wirklich wissen!«, rief David.
»Doch.«
»Nein, Rosie.«
»Du liebe Güte, ist das Kind überhaupt eingecremt?« Rudolf, der sich eben noch darüber gewundert hatte, warum das Schlagen auf seine Schenkel so schmerzhaft gewesen war, stellte fest, dass er einen Sonnenbrand bekommen hatte. »Ach, wir Rothaarigen …«, murmelte er und stülpte Rosie ein Sonnenhütchen auf den Kopf.
»Ich geh jetzt ins Wasser«, entschied Rosie und setzte den Hut wieder ab.
»Nein, tust du nicht. Es ist gleich zwölf Uhr mittags.« Rudolf wühlte in der Strandtasche. »Wo ist der verdammte Sunblocker?«
»Tschüss!«
»Rosie! Erst die Schwimmflügel und vorher die Sonnencreme und das Hütchen auf. Kommst du her!«
Kichernd hüpfte Rosie davon. David sprang auf und hatte sie in drei Sätzen wieder eingefangen. Sie schrie empört. Einige Leute blickten auf.
»So, du Lullu-Fee, jetzt gehen wir uns mal abkühlen!«, rief David, klemmte sich das kleine Mädchen unter den Arm und galoppierte brüllend in den Wannsee hinein.
»Die heißt Lilli-Fee«, kreischte Rosie und wusste gar nicht, ob sie wütend oder begeistert sein sollte, denn schon stand ihr das Wasser bis zum Hals, und der merkwürdige Freund ihres Vaters war prustend unter ihr verschwunden. Dann tauchte er wieder auf. »Halt dich an meinem Rücken fest, ich bin jetzt dein Dampfer.«
Zögernd legte Rosie ihre Hände auf Davids breite Schultern.
»Kannst du überhaupt
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