Ein Hund namens Gracie
froh, allein zu sein, aber irgendwie fühlte ich mich hier weniger einsam als unter den Leuten. Dann kam Anne herein, um meine Träumereien zu unterbrechen.
»Versteckst du dich vor deinen Fans?«
Ich wandte mich ab und machte die Lass-uns-nicht-drüber-sprechen-Geste.
»Oh, wir sollten unbedingt darüber sprechen.« Sie zog sich einen Stuhl ran. »Du fängst an.«
»Es gibt nichts zu sagen. Ich weiß nicht, was es ist.«
»Was was ist?«
Ich stieß einen Seufzer aus. »Na gut. Es ist... ich meine, alle feiern da draußen, sie sind so optimistisch und haben Vorsätze für Neujahr. Sie stellen sich vor, was alles anders und besser wird, und für sie wird alles anders und besser... und für mich nicht.«
»Nein?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin 30 Jahre alt, in einem Sackgassenjob ohne Aussichten auf etwas anderes und fahre mit 100 Stundenkilometern in keine bestimmte Richtung. Mein ganzes Leben lang habe ich gedacht, alles wäre besser, wenn alles andere anders wäre - wenn mein Familienleben nicht so durchgeknallt gewesen wäre, wenn wir nicht so arm gewesen wären, wenn mich irgendwer gefördert hätte, wenn ich auf eine bessere Uni gegangen wäre, wenn ich einen besseren Job oder einen besseren Chef hätte... wenn, wenn, wenn.«
»Aha.«
»Und weißt du was? Das ist überhaupt nicht das Problem. Ich bin das Problem. Ich bin der Grund, warum mein Leben sich nirgends hin entwickelt.«
Anne hob eine Augenbraue, aber sie unterbrach mich nicht.
Ich machte weiter. »Weihnachten fiel’s mir wie Schuppen von den Augen. Immer diese Schuldzuweisungen. Als ich mit Mark zusammen war und seiner ganzen Familie und mit den Hunden, wurde mir bewusst, dass mir nichts fehlt. Ich habe alles, was ich für ein gutes Leben brauche. Das Einzige, was mir fehlt, ist etwas, was mir niemand anders geben kann: ein Ziel!« Ich schlug auf den Tisch. »Was stelle ich nur mit meinem Leben an?«
Gracie trottete herein, als hätten sie die Schwingungen herbeigerufen, und ließ ihren großen Kopf auf meinen Oberschenkel plumpsen. Merlin galoppierte hinter ihr her. Seine Ankunft kündigte er mit einem hauserschütternden »WOOF!« an, nur für den Fall, dass wir ihn nicht bemerkt hatten. Er legte seinen Kopf auf dem Tisch ab.
Ich hörte, wie Anne tief Luft holte, auch wenn ich sie nicht ansah. »Hey«, sagte sie, »wenn ich mich jetzt wie eine Kindergärtnerin anhören sollte, kannst du es mir ruhig sagen. Manchmal dauert es eine Weile, bevor etwas ausgereift ist. Es gibt Vorbereitungen zu treffen und wir lernen oft unbemerkt, während wir warten.«
»Aber Vorbereitungen wofür? Mehr vom selben? Dies Jahr und nächstes Jahr und im Jahr darauf? Ist das alles?«
Ich ertappte sie dabei, wie sie ein Lächeln unterdrückte. »Was ist denn mit Marks und deiner Geschäftsidee?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ach, das sind doch alles nur Hirngespinste. Wir haben überhaupt keine Ahnung von Geschäften. Was haben wir uns denn vorgestellt? Dass diese Idee einfach vom Himmel fällt? Na, weißt du.« Ich nahm einen Schluck Bier und knallte die Flasche auf den Tisch.
Anne stand auf und kam um den Tisch herum auf mich zu. Im Wohnzimmer sang ein Künstler, der noch nicht der Künstler war, der früher als Prince bekannt war, von einer Party, als sei schon Silvester 1999. Sie legte mir ihre warme Hand in den Nacken.
»Es hört sich so an, als würdest du etwas über Demut lernen.«
»Ja, klar. Mir kommt es eher so vor, als würde ich allzu kleine Brötchen backen. Bei aller Demut.«
»Meine Mama hat immer gesagt, ein Großteil Demut liegt darin zu wissen, dass viel mehr geschieht - in uns, für uns, um uns herum -, als wir jemals verstehen werden. Und den Glauben zu haben, dass Gott oder das Universum oder wie auch immer du es nennen willst, uns beschützt, uns dahin lenkt, wohin wir gehen sollen, und uns von dort zum nächsten Schritt anleitet, wenn wir nur aufmerksam genug sind.«
Einen kostbaren Moment lang trat ich aus meinem eigenen Kopf und der beengten kleinen Welt, in der ich lebte, und sah Anne ins Gesicht. Sie hatte ihre eigenen Verletzungen, Verluste und Enttäuschungen zu tragen - vielleicht mehr als ihren Anteil -, und doch erklärte sie mir, dass ich beschützt und geleitet werden würde. Ich war nicht sicher, ob ich ihr glauben konnte, aber mir ging es schlagartig besser. Aus keinem ersichtlichen Grund - außer, dass ich einer guten Freundin mein Herz ausgeschüttet hatte und sie mir zugehört hatte.
Ich wollte gerade
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