Ein Iglu für zwei (German Edition)
Füße.
Namid greift sich die Fischdose, ohne eine Miene zu verziehen, und akzeptiert sie als Aschenbecherersatz. Ich rümpfe die Nase.
„Was hat das alles zu bedeuten? Ich kenn dich doch, Schwesterchen. Du würdest dich niemals im Leben mit so einem Kerl abgeben.“
Verlegen bedecke ich mit der rechten Hand mein Gesicht und schaue stumpf zu Boden. Der verkrümelte Läufer erinnert mich an meine häuslichen Pflichten.
Ich würde niemals im Leben mit so einem Kerl ...? Vielleicht meinte er auch, ich würde niemals im Leben überhaupt mit einem Kerl ...? Er weiß genau, dass ich die letzten Jahre nahezu im Zölibat gelebt habe. Daher muss ihm diese Schlagzeile geradezu absurd vorkommen.
„Eigentlich bedeutet es nichts. Das heißt, ich weiß nicht genau, was es bedeutet. Ich hab’s selbst eben erst durch Danny erfahren.“
Mein Bruder erstarrt zu einem Standbild.
„Der Typ eben war dieser Danny Greyeyes!? Warum hast du nichts gesagt?“
Ja, ganz recht. Warum hab ich nichts gesagt?
„Ich weiß nicht. Das plötzliche Auftauchen von Danny und dir und mein Bild in der Zeitung – ich war völlig verwirrt.“
Es zischt, als Namid seine Zigarette in den Resten der Fischsauce ausdrückt. Er beugt sich nach vorn, um den vermeintlichen Aschenbecher auf den Tisch zu stellen. Sein langes schwarzes Haar fällt ins Leere und schwingt vor seinen Schultern.
„Seid ihr nun zusammen oder nicht?“, erkundigt er sich interessiert.
„Nein ... oder vielleicht ... eher nicht. Keine Ahnung.“
Was stellt er mir so schwere Fragen? Wenn ich das nur selbst wüsste. Zusammen sind wir keinesfalls. Ich würde es als ein kaum erwähnenswertes Versehen bezeichnen, mit unsanfter Besinnungsphase, die zu einem vorzeitigen Ende der aufkeimenden Romanze führte. Kurzes Romänzchen mit ohne Folgen. Ja, so könnte man dazu sagen.
„Was denn nun?“, fragt Namid. „Habe ich mich also eben zum Narren gemacht? Läuft nun was zwischen euch oder nicht?“
„Nichts mehr. Ich meine natürlich nichts, ohne „mehr“. Sei ganz unbesorgt. Das war nur ein Fehler. Sonst nichts.“
Ich wickle mir den Gürtel des Morgenmantels um die Finger und sehe aus dem Fenster. Namid erhebt sich von der Couch und schenkt sich in der Küche ein Glas Wasser ein.
„Schade“, bemerkt er knapp.
Schade? Besser, ich frage ihn nicht, wie er das meint. Denn ich kann’s mir schon denken. Namid lässt nichts anbrennen. Er wechselt seine Frauen wie andere ihre Schlüpfer. Mein Leben muss ihm absolut freudlos vorkommen. Dabei bin ich ein extrem zufriedener Mensch.
Männer schaffen nur Probleme. Kaum lerne ich einen kennen, steht mein ganzes Leben auf dem Kopf. Gefühlschaos, eine „schlaflose Nacht ohne Schlaf“ und mein Bild in einem Käseblatt. Das lässt auf weiteren Ärger schließen. Meine vertraute Ruhe schmilzt dahin wie ein Sahneeis in der Sonne.
Lucy ist schuld. Ja, genau. Wenn Lucy nicht gewesen wäre, hätte dieses Zusammentreffen mit Danny doch niemals stattgefunden. Beste Freundinnen sind riskant. Hab ich’s doch gewusst. Nur dass mir Lucy keinen Mann weggeschnappt, sondern einen herbeigeschafft hat. Trotzdem wird es schwierig, sie in allen Punkten für schuldig zu erklären. Ich kann die Möglichkeit nicht ausschließen, selbst eine große Verantwortung für diese Misere zu tragen. Warum habe ich mich auf diesen Blödsinn eingelassen? Weshalb bin ich mit zu Danny gefahren? Dies sind Indizien für ein gewisses Maß an Eigenverschulden.
„Du liebst ihn doch nicht etwa?“, erkundigt sich Namid unerwartet.
Also, diese Frage geht eindeutig zu weit. Wie könnte ich einen Mann nach so kurzer Aufwärmphase lieben? Bevor ich mich verliebe, muss der Nordpol eisfrei sein. Ich bin praktisch der Nordpol.
„Ich weiß nicht“, höre ich mich antworten.
Das war nicht ich! Ich würde so was niemals sagen. Ich weiß nicht würde ja bedeuten, dass ich das Aufkeimen schlummernder Gefühle nicht ausschließe. Das ist faktisch ausgeschlossen. Da bin ich mir sicher.
„Falls du meine Hilfe brauchst, weißt du ja, wo du mich findest, Schwesterchen.“
Eigentlich weiß ich das nie genau. Aber in der Regel ist Namid immer da, sobald ich den geringsten Kummer entwickele. Das scheint er zu wittern.
„Ja, danke, aber ich komm schon klar. Glaub ich. Bin ich doch immer. Warum sollte das jetzt anders sein? Trotzdem, vielen Dank. Ich muss nur einiges sortieren. Meine Gefühle, mein Leben. Aber ich komm schon irgendwie klar. Muss ich ja.“
Was fasele ich
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