Ein Iglu für zwei (German Edition)
erkläre ich Lucy.
Ich öffne die Wagentür und springe heraus. Bevor ich die Tür zufallen lasse, beuge ich mich noch einmal vor.
„Ach, Lucy, sollte ich bis heute Abend nicht wieder auftauchen, dann musst du meinen Eltern die traurige Botschaft meines vorzeitigen Ablebens übermitteln. Sie werden’s sicher verstehen.“
Lucy lächelt gequält.
„Ich drück dir die Daumen.“
Ja, das hilft bestimmt. Drück sie nur alle!
Wagemutig gehe ich auf dem Mittelgrünstreifen der Straße und überlege, zum Gehweg überzuwechseln. Was mach ich nur, wenn sie wie ein Mückenschwarm auf mich zusausen? Vielleicht erkennen sie mich auch nicht.
Der Arm eines weit entfernten Menschen zeigt auf mich. Wie in einem Dominospiel heben die dahinter Stehenden jetzt nacheinander ihre Arme. Der Mückenschwarm fliegt los. So schätzungsweise unendlich viele menschliche Mücken gehen buchstäblich im Gleichmarsch zum Angriff über. Voller Panik schaue ich mich nach Ausweichrouten um. Zu spät. Gleich haben sie mich erreicht. Wie eine Horde entlaufener Irrer rufen und winken sie. Ihr Tempo steigert sich. Wenn mir nicht gleich etwas einfällt, bin ich tot.
Ein großer dunkler Wagen hält neben mir mit quietschenden Reifen. Die hintere Tür wird von innen aufgestoßen und ein fester Griff zerrt mich urplötzlich vom Grünstreifen in das Wageninnere.
„Verdammt! Komm sofort von der Straße weg!“
Die Tür knallt zu und der Wagen setzt rasant zurück. Unsanft rutsche ich in den Fußraum des Wagens und stoße mir den Kopf.
Bevor ich eine Erklärung für die unvermutete Wendung meiner eben noch lebensbedrohlichen Situation finden kann, werde ich an den Armen in den Sitz gehoben. Benommen sehe ich zur Seite und erkenne Danny Greyeyes neben mir. Am Steuer ein mir unbekannter finsterer Mann. Hab ich was verpasst?
„Bist du denn von allen guten Geistern verlassen!? Die warten doch seit Stunden wie die Schmeißfliegen auf dich. Willst du dich denn bei lebendigem Leibe von ihnen zerfleischen lassen? Dir muss doch klar sein, dass du da nicht einfach hineinspazieren kannst.“
Na ja, da ist was Wahres dran. Trotzdem verstehe ich gar nichts mehr.
„Ist das ein Zufall, dass du hier bist?“, frage ich verdutzt.
Danny gibt seinem Fahrer ein Zeichen, das ich nicht recht zu deuten weiß.
„Selbstverständlich nicht. Ich werde dich jetzt am Hintereingang der Buchhandlung absetzen und auf dich warten.“
„Du willst auf mich warten? Aber weshalb denn?“
Da ist mir wohl ein Kapitel durch die Lappen gegangen. Wieso ist Danny hier? Und aus welchem Grund will er auf mich warten?
„Weil ich nicht will, dass du wieder in Schwierigkeiten gerätst. Dir ist wohl nicht ganz klar, was es bedeutet, prominent zu sein.“
Nein, natürlich nicht. Denn ich bin nicht prominent. Ich bin nur ich. So unbedeutend wie eine Stubenfliege.
„Ich muss nicht beschützt werden. Denn ich kann sehr wohl auf mich selbst aufpassen.“
Wir erreichen die Buchhandlung „von hinten“.
„Das habe ich gesehen. Du hast anscheinend keine Ahnung, was dich dort erwartet. Die Leute warten nur auf einen Fehler von dir, um ihre Sensationslust zu befriedigen. Du verstehst nicht, was es bedeutet, meine Freundin zu sein.“
Habe ich eben die Worte „meine Freundin“ vernommen? Oder höre ich schon Fata Morganen? Falls man so etwas auch hören kann.
„Ich bin nicht deine Freundin!“
Was bildet er sich ein. Unerhört!
„Dann lies mal Zeitung! Dir kann doch nicht entgangen sein, dass das alle vermuten. Allein diese Tatsache macht dich für sie ungeheuer interessant.“
Bild dir da mal nicht zu viel ein!
„Willst du damit sagen, dass sich für mich gewöhnlich kein Mensch interessiert?“
„Nein, das will ich nicht damit sagen. Du verdrehst die Tatsachen!“ Der Wagen hält an der „Hintertür“. „Verdammt noch mal! Warum willst du mich nicht verstehen?!“
Wenn es nur darum ginge, ihn nicht verstehen zu wollen, wären wir schon einen Schritt weiter. Mir ist einfach schleierhaft, was Dannys plötzliches Erscheinen auf der Bildfläche zu bedeuten hat. Seit gut vier Wochen habe ich nichts mehr von ihm gehört. Und jetzt pickt er mich einfach vom Grünstreifen auf und erzählt mir, dass man als seine Freundin bedeutungsvoller wird und nicht mehr allein durch den Vordereingang einer Buchhandlung gehen sollte, obwohl ich gar nicht seine Freundin bin und überhaupt nicht vorhatte, den Vordereingang der Buchhandlung zu benutzen, sondern nur so darauf zugegangen
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