Ein Iglu für zwei (German Edition)
nicht spannender.
„Ich wusste nicht, dass wir neuerdings nur noch über die Zeitung miteinander kommunizieren“, knurrt Namid mich an.
„Mir ist deine Art der Kommunikation auch neu. Du verkrümelst dich einfach hier über Wochen und lässt nichts mehr von dir hören. Tagelang habe ich versucht, dich zu erreichen.“
Mein Vater verschränkt seine Arme vor der Brust und lehnt sich gegen die Stuhllehne meiner Mutter, während meine Mutter ihren Kopf auf seine Schulter legt. Das haben sie immer so gemacht, wenn es Streit zwischen Namid und mir gab. Nie haben sie sich eingemischt. Und da Namid nun mal der Unnachgiebige von uns beiden ist, habe ich immer den Kürzeren gezogen.
„Und was wolltest du mir sagen?“, fragt Namid verwundert.
„Was ich dir sagen wollte ...? Ich wollte dir sagen, was ich über dich denke. Nämlich dass du der gefühlloseste und kaltherzigste Mensch bist, den ich kenne.“
Einschließlich Danny.
„Malina, kannst du mir mal bitte sagen, worauf du eigentlich hinauswillst?“
„Du hast Lucy das Herz gebrochen! Mir ist egal, was du mit deinen ganzen Frauen treibst, aber warum ausgerechnet Lucy?“
Namid starrt verstummt durch mich hindurch. Ich hab’s geschafft! Er ist mundtot. Ich hab gewonnen! Zum ersten Mal. Ich wusste doch, dass das geht. Nur warum ich so viele Jahre dafür gebraucht habe, verstehe ich nicht.
Plötzlich steht Namid auf und geht raus. Erstaunt schaue ich ihm nach. Höchst undurchsichtiges Verhalten. Vielleicht sollte ich hinterher ...?
„Geh ihm nach!“, spricht mich mein Vater auf Grönländisch an. Sofort springe ich auf und gehe zur Tür. Mein Vater redet nicht viel. Nur, wenn es wirklich nötig ist. Und dann ist es ihm meistens sehr wichtig. In diesem Fall sollte man ihm tunlichst nicht widersprechen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz in unserer Familie, an das meine Mutter, Namid und ich uns immer halten. Daher kenne ich auch gar nicht die Konsequenzen, die es hätte, würde man seinem Wort nicht folgen. Wahrscheinlich hätte es keine. Aber allein die Tatsache, meinen Vater sprechen zu hören, ist so unglaublich, dass dies seinen Worten enorme Bedeutung verleiht.
Namid ist schon ein paar Schritte entfernt, sodass ich laufen muss, um ihn einzuholen. Als ich ihn erreicht habe, gehen wir stumm auf einen kleinen Fels zu, auf dem wir schon so manches Mal zusammen gesessen und die Möwen im Fjord beobachtet haben.
Der Himmel am heutigen Abend ist nur mit einigen Schleierwolken behangen. Es ist kühl, gerade knapp über null Grad, aber es fühlt sich viel wärmer an. Jetzt im Hochsommer geht die Sonne selbst am Abend nicht ganz unter und spielt am Himmel mit ihren roten Farben. Die gesamte Landschaft wird in ein unwirkliches Licht getaucht.
Es ist ungewöhnlich für Namid, wenn er nicht spricht. Wir sitzen schon eine unbestimmte Zeit zusammen auf dem kalten Stein und reden kein Wort. Für mich keine neue Erfahrung. Aber Namid hat eher den Redefluss unserer Mutter geerbt. Daher mache ich mir langsam Sorgen.
„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen“, durchbreche ich die Stille.
Beherzt greife ich nach seiner Hand und drücke sie.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Schwesterchen. Deine Worte haben mich überrascht.“
„Aber wieso?“
„Lucy ist eine tolle Frau. Das finde ich nicht erst seit dieser Nacht. Aber was könnte ich ihr schon bieten. Sie ist beruflich sehr erfolgreich und ich habe nicht mal mein Studium beendet. Ich hätte nicht gedacht, dass ihr mehr an mir liegen könnte.“
„Jetzt bin ich aber überrascht. Du liebst sie.“
Warum habe ich davon nie etwas gemerkt? Das ist kaum zu glauben. Beide halten ihre Gefühle füreinander vor mir geheim und ahnen nichts davon, dass der andere genau das Gleiche fühlt.
„Jetzt glaubst du, dass du ihr nicht gut genug bist. Hast du dich darum hierher zurückgezogen?“
Ohne zu antworten, schaut Namid stumm in die Ferne.
„Fahr zurück zu ihr! Du warst lange genug hier und hast kostbare Zeit mit Grübeln vertrödelt. Sie wartet auf ein Zeichen von dir.“
Wieso sind Männer nur so kompliziert? Anstatt einfach mit ihr zu reden, vergräbt er seinen Schmerz und sinniert hier allein vor sich hin. Tse!
„Okay. Vielleicht hast du Recht. Ich werde mit ihr reden. Und was ist mit dir?“, erkundigt er sich nun. „Willst du jetzt deine kostbare Zeit hier mit Nachdenken vergeuden?“
Eigentlich hatte ich das vor, ja. Will er mit dieser Frage irgendwas andeuten?
„Bei mir ist alles
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