Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
stiegen sie den Berg zum Schloss hinauf. Es
nieselte ein wenig. Emily blieb stehen und schaute auf das Lichtermeer der
Stadt.
„Ich liebe Heidelberg, weißt du. Und einen der Heidelberger
liebe ich ganz besonders.“ Sie umarmte seinen feuchten Mantel. Er gab ihr einen
Kuss auf den Scheitel und so blieben sie eine Weile innig umschlungen stehen.
„Komm, ich habe Hunger und heute extra nichts mit den
Kindern gegessen.“
„Na, das hält dich doch sonst auch nicht ab, eine zweite
Portion zu verdrücken“, zog ihn Emily auf.
„Ja, aber das muss ich wirklich aufhören. In meinem Alter
setzt das sonst richtig an.“
„Ja, ab achtunddreißig geht’s los“, pflichtete sie ihm bei
und er schubste sie mit seiner Hüfte.
„Ich war noch nie im Schlossrestaurant. Ist das innen drin
noch richtig alt?“
„Ich glaube, es ist deutlich modernisiert, aber es wird dir
gefallen.“ Er lief jetzt so schnell, dass Emily fast schon rennen musste.
„Du hast es aber eilig.“
„Ja, ich muss doch meine
Liebste ins Trockene bringen, oder?“
Kurze Zeit später betraten sie das edle Ambiente und wurden
sogleich von einem befrackten Kellner an den Tisch für Gomez geleitet. Der Zahl
der Gläser und Bestecke nach zu urteilen gab es hier nur mehrgängige Menüs.
Josue musste heute seine Spendierhosen anhaben. Als er sich aus seinem Mantel
schälte, den der Kellner mit nach vorne nahm, dachte Emily, wie fabelhaft er
heute wieder aussah.
„Du siehst einfach nur gut aus, weißt du das?“, sagte sie
spontan.
Er zuckte mit den Schultern. „Ja, ich habe wohl Glück mit
der optischen Mischung meiner Eltern gehabt. Bitte setz dich doch.“ Er schob
Emily den Stuhl unter den Hintern. Das erforderte Vertrauen in den Partner,
sich im richtigen Moment hinzusetzen, obwohl man gar nicht wusste, ob der Stuhl
schon angekommen war.
Wortlos sahen sie einander in die Augen. Emily spürte ein
kleines Kribbeln das Rückenmark hinunterlaufen. Etwas schien in der Luft zu
liegen. Josue breitete erwartungsvoll die weiße Stoffserviette auf seinem Schoß
aus, Emily tat es ihm gleich. Da kam auch schon der Kellner mit Amuse-gueules,
kleinen runden Häppchen, die mit ein wenig Kaviar und Veilchenblüten gekrönt
waren. Josue bestellte eine Flasche Birkweiler Mandelberg, einen weißen
Burgunder aus der Pfalz, und ein Wasser, ohne Emily zu fragen, aber ihr war
heute alles recht, denn sie hatte beschlossen, sich gerne und vollständig
verwöhnen zu lassen. Josue beugte sich über den Tisch und küsste sie. Erneut
fing sie bewundernde Blicke von den Damen der anderen Tische auf, aber daran
hatte sie sich langsam dran gewöhnt.
„Guten Appetit, Liebste. Ich hoffe, du wirst den Abend
genießen. Ich habe mir erlaubt, das Menü für uns im Voraus zusammenzustellen.“
Oho, ein neues Kosewort, das ihr bedeutend besser gefiel als
„meine Kleine“. „Ja, das werde ich, mein Herzensfürst“, seufzte sie. Er sah sie
verwundert an. Da merkte sie, dass sie das Wort, mit dem sie ihn im Traum
gelegentlich angeredet hatte, wohl laut ausgesprochen hatte. Sie spürte, wie
ihre Ohren glühten. Da diese aber heute unter ihrer aufgebauschten Haarpracht
verborgen waren, sollte das nicht so auffallen. Sie reckte sich und setzte sich
würdevoll zurecht. „Gefällt es dir nicht?“
„Oh, es ist ein wenig ungewöhnlich.“
„Tja, Kosenamen kann man sich nicht immer aussuchen. Oder
wäre dir „mein Großer“ lieber? Außerdem habe ich Angst, mit den gewöhnlichen
Kosenamen vermintes Gebiet zu betreten, wenn du weißt, was ich meine.“
Er nickte. „Wohlan, meine Herzensdame.“ Er hob sein Glas und
prostete ihr unter den wohlwollenden Blicken von Liselotte und Friedrich V. zu.
„Auf einen unvergesslichen Abend.“
„Danke für die überraschende Einladung.“ Hm, das klang jetzt
auch komisch, als würde er sie sonst nie einladen. Aber er schien nichts
gemerkt zu haben. Strahlend schaute sie sich um. „Ich fühle mich wirklich ganz
königlich oder zumindest kurfürstlich hier, das war eine tolle Idee. Da wird
die Stadtführung flutschten wie geschmiert.“
„Kannst du mir was über das Schloss erzählen, wenn wir schon
mittendrin sitzen?“, fragte er. Sie dachte an den Ruprechtsbau gerade gegenüber
und wollte schon anfangen, die Geschichte von den verunglückten Zwillingen des
Baumeisters zu erzählen, da biss sie sich noch rechtzeitig auf die Lippen.
Emily, bist du wahnsinnig? Schnell suchte sie in den Tiefen ihrer
Gehirnwindungen nach anderen
Weitere Kostenlose Bücher