Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
Informationsbits. „Hast du gewusst, dass das
Schloss Anfang des 19. Jahrhunderts fast abgerissen worden wäre und sechzig Jahre
später plötzlich wieder vollständig aufgebaut werden sollte?“
Josue schüttelte ungläubig den Kopf.
„Nachdem die letzten Kurfürsten sich von Heidelberg
abgewendet hatten, wurde die Ruine von der Bevölkerung als Steinbruch benutzt
und im Schlossgarten Kartoffeln und Gemüse angebaut. Heidelberg war inzwischen
badisch geworden. Die Regierung in Karlsruhe beauftragte schließlich eine Firma
mit dem bezeichnenden Namen „schwarze Hand“, den kompletten Abriss vorzunehmen.
Das konnten Gott sei Dank Menschen wie Graf Graimberg, der die Trümmer
verteidigte, und die Romantiker verhindern, die vielen Menschen durch ihre
Zeichnungen und Gedichte die Schönheit des Schlosses vor Augen führten.“
„Und wer wollte das Schloss dann wieder aufbauen lassen?“,
fragte Josue interessiert.
„Auch dieser Impuls ging von einem Karlsruher aus. Er und
einige andere wollten durch einen Wiederaufbau des Schlosses die Schmach, die
die Franzosen den Pfälzern im Erbfolgekrieg zugefügt hatten, sozusagen
unsichtbar machen. Immerhin hat er die Restaurierung des Friedrichsbaus
durchgezogen, bekam dann aber Gegenwind von einem Kunsthistoriker, der schon
früh die moderne Denkmalpflege vertrat: eine akademische Abstraktion des
Schlosses wäre nichts Echtes und historisch Gewordenes mehr und würde damit letztendlich
ihren Reiz verlieren.“
Josue sah sie liebevoll an. „Du erzählst so kompetent, ich
denke, du wirst eine tolle Stadtführerin werden.“
„Ja, ich hoffe es, dass die ganze Investition von Zeit und
Herzblut nicht umsonst war und es mir wirklich Spaß macht.“ So wenig er mit
ihrem Soziologiestudium anfangen konnte, vor der Stadtführerin Emily hatte er
Respekt.
Der erste Gang kam: „Tomatencarpaccio in weißer Balsamicomarinade
mit sommerlichen Blattsalaten, Blüten und gebratenen Riesengarnelen“, sagte der
Ober, als wäre er dem kurfürstlichen Gefolge entsprungen. „Bon appétit!“ Das
ließen sich die beiden nicht zweimal sagen und tafelten um die Wette. Emily
tunkte genießerisch die letzten Reste der köstlichen Sauce mit einem frischen
Stück Weißbrot auf.
„Es macht Spaß, mit dir zu essen, weißt du das?“ Sie schaute
ihn liebevoll an. Seine schwarzen Haare fielen so luftig auf den frisch
gestärkten Hemdkragen.
„Wer bügelt eigentlich deine Hemden?“
„Frau Schmitt“, sagte er verschämt.
„Ich kann keine Hemden bügeln“, sagte sie beiläufig.
Er stutzte. „Warum denn nicht?“
„Vermutlich weil ich mich weigere, zehn Minuten meiner
kostbaren Lebenszeit mit einem Kleidungsstück zu verbringen, das nachher nur
deutlich faltiger aussieht als vorher.“ Sein Mund ging auf, dann schloss er ihn
aber wieder.
„Na, sag schon. Ich kann auch einstecken.“
Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Dafür hast du andere
Qualitäten.“
„Die da wären?“, fragte Emily kokett.
Ein verlegenes Lächeln kräuselte seine Mundwinkel. „Du bist
ein richtig liebevoller Mensch und geduldig. Du nimmst die Menschen so, wie sie
sind, ohne an ihnen herumzuerziehen. Ich mag es wirklich, wie du mit den
Kindern umgehst. Und ich bin gerne mit dir zusammen und fühl mich sehr wohl in
deiner Nähe.“
Emily bekam feuchte Augen, so viele positive Dinge hatte er
ihr noch nie auf einmal gesagt. Sie räusperte sich. „Jetzt bist du dran.“ Er
lächelte sie voller Erwartungsfreude an. Sie wusste nicht, wo sie anfangen
sollte.
„Du musst aber lange überlegen“, neckte er sie.
„Pst, jetzt bring mich nicht raus.“ Sie atmete tief durch.
„Ich liebe dich seit unserer ersten Begegnung im Frühling auf dem Friedhof. Ich
kann mein Glück nicht fassen, dass wir zusammengekommen sind. Durch dich ist
mein Leben so viel aufregender und interessanter geworden, nicht zuletzt durch
deine tollen Kinder. Ich bin gerne mit dir zusammen. Ich mag es, wenn du mich
in deinen starken Armen hältst. Du gibst mir das Gefühl, etwas Besonderes zu
sein.“
Mehr wollte ihr heute nicht einfallen, obwohl ihr bewusst
war, dass sie keine seiner inneren Eigenschaften angesprochen hatte.
„Danke“, sagte er ebenfalls gerührt, also hatte er nichts
gemerkt. „Und danke für diesen wundervollen Auftakt, womit wir nämlich beim
Thema wären.“
Emily wurde plötzlich ganz flau im Magen. Josue griff über
den Tisch nach ihrer Hand. Er schaute sie intensiv an, wobei seine dunklen
Augen wie zwei
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