Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
Beine, denn es wurde auch
nachmittags nun schon deutlich kühler, und dann fuhren sie los. Emily wäre
gerne ein wenig in der gemütlichen Wohnung geblieben und hätte sich näher
umgeschaut, aber das würde ihr nicht davonlaufen.
Während sie durch die Handschuhsheimer Straßen rollten,
blieben immer wieder Leute stehen, um Frau Vogel zu begrüßen. Emily konnte
gleichzeitig große Sympathie, aber auch viel Mitleid in den Gesichtern
erkennen. Niemand hätte vermutlich der alten Dame einen solchen Leidensweg
gewünscht. Sie fuhren durch die Platanenallee hinter der Tiefburg und Frau
Vogel schnupperte die herbstliche Luft.
„Nun erzählen Sie doch von sich, Frau Neumann.“
„Ich glaube, es wäre mir lieber, wenn sie mich Emily
nennen.“
„Also gut, Emily, dann bin ich aber auch Frieda für Sie.“
„Gerne.“
Sie beschloss, dennoch beim Sie zu bleiben. „Nun, ich
studiere jetzt im zweiten Semester Soziologie und bin eine Wahlheidelbergerin.“
Frieda wedelte ungeduldig mit der Hand. „Das weiß ich doch schon alles, auch
dass sie im Altenheim arbeiten, Claras Freundin sind usw. Aber was hat es mit
diesen Kindern auf sich?“
„Nun, ich habe mich ziemlich bald nach meiner Ankunft hier
in einen Mann verliebt. Der ist Witwer mit zwei Kindern, wie sich später
herausgestellt hat.“
„Und sie sind dann tatsächlich zusammengekommen?“
„Ja“, lachte Emily. „Ich musste ein wenig nachhelfen, aber
dann wollte er mich auch. Wir haben uns vor ungefähr zwei Wochen verlobt,
stellen Sie sich das vor.“
Frieda hob die zittrige Hand an ihr Herz. „Das ist ja
unglaublich romantisch.“ Dann wandte sie ihren Hals nach hinten, um einen Blick
auf Emily zu erhaschen. „Aber die Realität ist es vermutlich nicht, oder?“
Frieda Vogel schien nicht lange zu fackeln, aber warum auch?
Emily schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke, die Probleme fangen jetzt gerade
richtig an.“
Flo klebte mit der Nase
am Fenster und konnte sich an der vorbeirauschenden Welt nicht satts ehen. Lizzy war in ein Buch
vertieft. Liebevoll schaute Emily auf Josue und ihre neue Familie. Josue sah
abgespannt aus, er bekam dann immer so dunkle Ringe unter den Augen und seine
ersten Falten traten markanter hervor. Er hatte zwei Uraufführungen hinter
sich, das schienen jedes Mal anstrengende Zeiten zu sein. Emily hatte einige
Gesprächsfetzen eines Telefonats mit Camilla mitgehört, bei dem er sich beklagt
hatte, dass er wirklich die Nase gestrichen voll habe von dem anstrengenden
Job. Was Camilla erwidert hatte, konnte sie nicht verstehen, aber er hatte sich
ein wenig entspannt. Emily versuchte, ihm das Leben, wo und wann immer sie
konnte, leichter zu machen.
Heute waren sie unterwegs nach Hamburg, um ihre Eltern zu
besuchen. Schließlich wollte sie es ihren Eltern gerne von Angesicht zu
Angesicht sagen, dass sie heiraten würden. Inzwischen hatten sie schon einen
Termin ins Auge gefasst und gestern hatte Emily im Standesamt angefragt, ob
noch etwas frei wäre. Der Termin lag in der ersten Januarwoche, also nur drei
Wochen nach Gabriels und Ruths Hochzeit. Das war schon unglaublich, wie sich
die Ereignisse im letzten Jahr entwickelt hatten. Nie hätten die drei
Freundinnen geglaubt, dass sie alle drei fast im gleichen Jahr heiraten und
dass zwei von ihnen im gleichen Jahr schwanger sein würden. Kurz hatte sie über
eine Doppelhochzeit nachgedacht. Das wäre sicher eine praktische Angelegenheit.
Aber da sie wusste, dass sich Josue niemals auf so etwas einlassen würde, hatte
sie den Gedanken gleich verworfen. Vielleicht würden sie an diesem Wochenende
ein paar ruhige und entspannte Minuten finden, um darüber zu sprechen, wie sie
beide sich so eine Hochzeit vorstellen konnten. Emily hoffte sehr, dass ihre
Eltern sie finanziell unterstützen würden, damit die Hochzeit nicht gar zu
studentisch ausfallen musste.
Als sie ihren Blick hob, schaute Josue sie aus seinen
unergründlichen Augen an. Sie lächelte ihn liebevoll an.
„Ich hoffe, wir finden
ein wenig Zeit füreinander dieses Wochenende“, sagte er, als hätte er ihre
Gedanken gelesen. „Meinst du , deine Eltern können auf die Kinder
aufpassen, während du mich in Hamburg ausführst?“
„Wenn sie sich verstehen, wäre das prima. Aber ich glaube,
meine Eltern sind gute Großeltern und die Stimmung zwischen ihnen ist auch
wieder besser.“ Josue hatte nie mehr nachgefragt, wie es den beiden ging nach
ihrem ersten Treffen in Heidelberg. „Die wenigen Tage in Heidelberg
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