Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
sinken. Das brachte nicht
viel, da die Küche so eng war, aber sie hatte das Gefühl, dass jeder Zentimeter
zählte. Dann sah sie ihn erwartungsvoll an. Er räusperte sich: „Emily, das war
wirklich unverzeihlich, was ich dir in der Mensa an den Kopf geworfen habe. Du
hast recht, es ist dein Leben und es geht mich nichts an, in wen du dich
verliebst.“ Emily wartete. Das schien sich doch wieder ganz vernünftig
anzuhören. „Aber“, setzte er an und schluckte mehrfach, bevor er fortfuhr,
„aber ich liebe dich und da ist es doch nur selbstverständlich, dass man sich
Sorgen um die geliebte Person macht, nicht wahr?“
Emily blickte ihn mit zusammengekniffenem Mund an.
Irgendetwas führte er im Schilde. Er war ja nicht dumm, auch wenn er manchmal
nach außen ein wenig einfältig wirkte.
„Ich habe lange überlegt und zwei schlaflose Nächte gehabt,
wie du vielleicht sehen kannst.“ Er grinste schief.
„Emily“, sagte er und schaute sie ganz klar an, obwohl sie
das Gefühl hatte, er stünde am Rande eines Abgrundes und drüben warte der
Wahnsinn, ihn in seine Arme zu schließen, „willst du mir noch eine Chance
geben? Ich werde dich lieben und ehren in guten und in schlechten Tagen.“
Hilfe, das hörte sich ja fast nach einem Heiratsantrag an.
Emily dachte nach. Es gab Zeiten im Leben, da musste man sich entscheiden. In
schnellen Bildern zog Anna mit ihrem ungleichen Harry an ihr vorbei, ihre
Eltern, denen sie mit einem Partner vielleicht auch ganz anders begegnen
konnte. Sie wusste, er würde ihr zu Füßen liegen und wäre sicher jemand, auf
den sie sich verlassen konnte, und wenn Anna ihn erst mal in ihre Wunderhände
nahm, könnte er auch richtig passabel aussehen.
Sie schrak hoch. Emily, du liebst ihn nicht, was waren denn
das für Gedanken? Vermutlich war sie erschöpft und wollte einfach nur Ruhe und
Frieden in ihr Leben einkehren lassen und sah sich deswegen in Versuchung
geführt. Sie riss sich zusammen.
„Du bist wirklich ein netter Kerl. Aber ich hab’s dir schon
mal gesagt und sage es jetzt nochmal: Es wird nichts mit uns.“ Sie zögerte und
sprach es dann doch aus: „Ich liebe einen anderen, so verrückt dir das auch
erscheinen mag. Vielleicht gelingt es uns, irgendwann Freunde zu werden. Bitte,
geht jetzt.“
Er machte keine Anstalten aufzustehen. Als wäre er ein
Luftballon, aus dem plötzlich alle Luft entwich, ließ er den Kopf auf die
Tischplatte fallen und fing hemmungslos an zu schluchzen. Emily dachte
sarkastisch, so viele Gefühle, wie sie hier in drei Monaten erlebt hatte, waren
ihr in Hamburg in drei Jahren nicht beigekommen.
„Ach, Gabriel, bitte, alles wird wieder gut, du wirst schon
sehen. Du findest eine Frau, die zu dir passt und die dich liebt, so wie du es
verdient hast. Das Leben geht weiter, glaub mir.“ Und dann murmelte sie nur
noch beruhigende Laute wie zu einem kleinen verletzten Kind.
Nach einer Weile regte sich Gabriel und öffnete die Augen.
Er rappelte sich hoch, brachte seine langen Gliedmaßen wieder in eine möglichst
würdevolle Ordnung und räusperte sich. „Entschuldige, Emily, dass ich dich
belästigt habe. Aber die Einsamkeit ist manchmal zu hart, weißt du.“ Emily
nickte sanft und begleitete ihn zur Tür. Dort umarmte sie ihn etwas unbeholfen,
er fühlte sich weich und warm an, gar nicht so hölzern, wie man meinen könnte.
Brainstorming, die mutige Frau kommt weiter,
Tyrannosaurus-Gestank und ein Generationenfest
Emily zog Herrn Hirzel den Pullunder über den
Kopf. „Krawatte oder nicht, der Herr?“
„Wenn Sie so freundlich wären, mein Fräulein.“ Herr Hirzel
wusste natürlich, dass das „Fräulein“ gar nicht mehr politisch korrekt zu
gebrauchen war, aber es machte ihm Spaß, sie aufzuziehen, und von ihm ließ sie
es sich gerne gefallen.
Edith schaute zur Tür herein. Ihre Mundwinkel hingen noch
einen halben Zentimeter tiefer als sonst. „Emily, kommst du kurz“. Emily
entschuldigte sich bei Herrn Hirzel für die Störung und trat vor die Tür, die
sie hinter sich schloss.
„Es geht nicht, dass du hier deine Lieblinge hast, denen du
mehr Zeit widmest als den anderen!“, polterte Edith. „Unter der Woche werden
keine Krawatten gebunden, das ist doch reine Zeitverschwendung.“
„Für sein Befinden vielleicht nicht“, widersprach Emily.
„Du hast gehört, was ich gesagt habe.“ Emily stürmte zurück
ins Zimmer. Sie mochte Herrn Hirzel, aber sie hatte ihn nicht bevorzugt behandelt, das würde
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