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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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Vielleicht war sein Liebeskummer inzwischen auch nicht
mehr so schlimm wie vor ein paar Wochen, aber sie wusste aus eigener Erfahrung,
dass das dauern konnte. Wie genau er noch wusste, wie ihre Arbeitszeiten waren.
Sie empfand es immer als Wertschätzung, wenn sich jemand ihre Termine merkte.
Klaus hatte nie zugehört, wenn sie von ihren Arbeitszeiten oder
außerberuflichen Terminen gesprochen hatte und deswegen gab es oft Streit.
    Sie drehte die Postkarte um und stutzte. Sie musste aus dem
gleichen Laden kommen wie die Postkarten, die sie sich auch ausgesucht hatte.
Vor einer Berglandschaft stand eine winzige Holzhütte, aus deren Schornstein
ein wenig Rauch aufstieg. Sie konnte sich David gut in der Holzhütte lebend
vorstellen und sie nahm sich vor, ihn das nächste Mal nach seiner Adresse zu
fragen, damit auch sie sich bei ihm melden konnte.
     
    Die ganze Woche belagerte Emily den Briefkasten, passte
sogar einmal den älteren Briefträger ab, ob er auch bestimmt nichts übersehen
hatte für Emily Neumann. Der lächelte gutmütig und schüttelte nur bestimmt den
Kopf. „Hier läfft des ordentlisch, do brauche se sisch kää Gedoanke zu mache,
dass do was verschloampt werd, jungi Fraa“, belehrte er sie. Emily ging völlig
frustriert in die Stadt. Und um sich selbst zu beweisen, dass sie an eine
Antwort und eine Begegnung mit Josue glaubte, kaufte sie sich ein neues
Ensemble, einen schlichten, aber schicken Rock aus Bouretteseide in einem
Altroséton und ein feines elfenbeinfarbenes Strickoberteil, das sich anfühlte
wie kühlendes Wasser. Das zog sie Freitagabend an und flanierte damit die
Fußgängerzone hinunter und wieder hinauf, als wäre sie auf dem Weg zu einer
Veranstaltung oder eben zu ihrem Liebsten. Sie zählte dabei die Blicke der
Männer, die sie zumindest kurz mit erhöhter Aufmerksamkeit musterten,
Jägerblicke hatten sie die früher immer genannt. Denn dieses Spiel hatte sie
mit Anna immer dann in Hamburg auf der Einkaufsmeile Mönckebergstraße
durchgeführt, wenn eine von ihnen in ihrem weiblichen Selbstbewusstsein verletzt
worden war. Alleine machte die kleine Aktion nur halb so viel Spaß, aber die
Ausbeute war nicht schlecht: Zwölf Männer hatten deutliche Jagdblicke erkennen
lassen, die meisten davon zwar mit einer Frau an ihrer Seite, aber immerhin. So
konnte sie ein wenig gestärkter ins Bett gehen, um fit zu sein für die
Frühschicht am nächsten Morgen.
     
    Nach einem anstrengenden Arbeitssamstag schloss sie müde die
Haustür auf, schlurfte die Treppe hoch. Da Thorsten nicht da war, stieg sie
gleich unter die Dusche, um all die Gerüche und Sekrete, mit denen sie den Tag
über zu tun hatte, lange und heiß abzuspülen. Wie neugeboren, nur mit einem
Handtuch um sich geschlungen, marschierte sie in die Küche, um nach etwas
Essbarem zu suchen. Da lag auf dem Küchentisch ein Brief. Wie elektrisiert
blieb sie stehen und dachte sofort: Josue. Sie schlich näher, um ihn vorsichtig
in die Hand zu nehmen. Ihre Adresse war mit Kuli geschrieben, die Schwünge
waren sehr groß und männlich, aber man konnte die Handschrift nicht im eigentlichen
Sinne als schön bezeichnen. Aber sehr charakterstark sah sie schon aus,
bestärkte sie sich selbst. Vorsichtig öffnete sie den Umschlag. Dabei zitterte
ihre Hand so stark, dass der Schnitt mit dem Küchenmesser stark ausfranste. Sie
zog eine SOS-Kinderdorfkarte mit einem Kindergemälde heraus. Nu, da hatte sich
aber jemand nicht viel Mühe gegeben, oder sollte das ein Zeichen sein? Sie
wendete sie und überflog die drei Zeilen:
    Hallo
Frau Neumann.
    Vielen
Dank für Ihre ungewöhnliche Post und vermutlich auch für die vielen
Kartenmotive. Ich würde vorschlagen, dass wir uns Sonntagabend um zwanzig Uhr
zu einem Glas Wein im Grünen Krokodil (Weststadt) treffen. Dort können wir
alles Weitere klären. Wenn Sie nicht kommen, geben Sie mir bitte kurz Bescheid.
Mit freundlichen Grüßen, Josue Gomez
    Emily sank gemeinsam mit der Karte auf einen Küchenstuhl,
das Handtuch glitt von ihrem Körper. Nun hätte sie sich freuen und laut jubelnd
durch die Küche hüpfen müssen. Aber beim Lesen der distanzierten Zeilen war es
ihr, als ob ihr jemand mit der Faust in den Magen geschlagen hätte. Sie las
erneut. Eigentlich klang alles ganz vernünftig, dachte sie und konnte sich ihre
eigene Reaktion nicht so richtig erklären. Natürlich würde sie hingehen. Jetzt,
wo sie so lange gewartet hatte. Vielleicht hatte er recht und es würde die
Sache klären, auch

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